StuW Sonderheft NeSt 2025
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Abhandlungen – Steuerpolitik S9 Güntzler – Steuerpolitische Reformfähigkeit im Zeichen des Koalitionsvertrages wiederherstellen
der Mobilität. Sie stärken den Absatz klimafreundlicher Fahr zeuge, insbesondere im Unternehmensbereich. Im Bereich der Bürokratie zeigt die Koalition, dass die Umstel lung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell, die geplante elektronische Rechnungspflicht und die Einführung digitaler One-Stop-Shops zur Unternehmensgründung, dass sie den Bürokratieabbau ernst nimmt. Doch bleibt offen, wie schnell und verbindlich diese Maßnahmen umgesetzt werden. Die Digitalisierung der Steuerverwaltung sollte nicht an födera len oder technischen Hindernissen scheitern. Im Bereich der Einkommensteuer hat sich die Koalition auf weitergehende Schritte geeinigt- leider erst mit der Absicht zur Mitte der Legislatur etwas tun zu wollen. Die Koalition stellt dasMotto „ Leistung muss sich lohnen “ wieder nach vorne. Die steuerfreie Behandlung von Mehrarbeitszuschlägen über die ta rifliche Vollzeitarbeit hinaus sowie die steuerliche Förderung freiwilliger Mehrarbeit im Alter setzen positive Leistungsanrei ze und entlasten zugleich die Lohnbuchhaltung. Gleiches gilt für die Anhebung der Pendlerpauschale auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer – insbesondere für Arbeitnehmer im ländli chen Raum ist dies ein lange erwarteter Schritt. Daneben plant die Koalition bei gesicherten Haushalten zur Mitte der Legisla turperiode einen Einstieg in die Entlastung kleinerer und mitt lerer Einkommen durch die Veränderung des Steuertarifs (Ab flachung des Mittelstandsbauches). Zum Abschluss gilt es zu würdigen, was es nicht in den Koaliti onsvertrag hineingeschafft hat und welche steuerlichen Zumu tungen den Unternehmen erspart bleiben. Von den nicht be schlossenen Maßnahmen geht ein eindeutiges Zeichen aus, welche Art von Ordnungspolitik die Bundesregierung leiten wird. Eine Vermögensteuer wird nicht wiederbelebt. Es gibt keine Verschärfung der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen. Hier bleibt die Entwicklung im anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten. Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer ist vorerst vom Tisch. Die SPD forderte in den Koalitionsverhandlungen zu nächst eine Anhebung auf 47 Prozent ab einem Einkommen von 83.600 Euro. 16 Die CDU/CSU erteilte dieser Forderung eine ganz entschiedene Absage. V. Die empirische Steuerforschung als Schützenhilfe in bewegten steuerpolitischen Zeiten Die Forschung kann mit Ihren Wirkungsweisen und Wir kungsgraden zu vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnah men einen entscheidenden Beitrag dazu liefern, dass die gege benen haushaltspolitischen Mittel für die richtigen Investitions impulse bei gleichzeitigen Steuermindereinnahmen eingesetzt werden und mit Fakten und Mythen der Umverteilungslogiken aufräumen. Ihr Beitrag liegt damit nicht nur in der ex-post Evaluation bestehender Regelungen, sondern ebenso in der ex
ante-Simulation alternativer Reformpfade – etwa durch Mikro Simulationsmodelle oder bürokratieökonomische Wirkungs abschätzungen. Gerade in Zeiten klammer Kassen ist es umso wichtiger, dass jeder Schuss sitzt und staatliche Gelder nicht durch falsche Subventionsanreize gefördert werden. Nicht zuletzt kann die empirische Steuerforschung auch eine zentrale Rolle im föderalen Aushandlungsprozess einnehmen, indem sie valide Zahlen liefert, wo politische Argumentation in Vermittlungsausschüssen oft in Minimalkompromisse abzug leiten drohen. Sie ist damit nicht Erfüllungsgehilfe, sondern kritische Instanz und Orientierungsgeberin, wenn es darauf an kommt Formel- und Verteilungskompromisse zu vermeiden. VI. Ausblick Die steuerpolitische Reformfähigkeit ist essenziell für die Wett bewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Der neue Koalitionsvertrag bietet Ansatzpunkte, muss jedoch durch konsequente politische Umsetzung und pragmatische Weiter entwicklung ergänzt werden. Die neue Legislaturperiode bietet die Chance, die bisherige steuerpolitische Blockade zu überwin den und Deutschland wirtschaftlich neu auszurichten. Mit der geplanten Senkung des Körperschaftsteuersatzes, der Reaktivierung der degressiven Abschreibung und der angekün digten Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung werden zentrale wirtschaftspolitische Weichen richtig gestellt. Diese Maßnahmen erkennen die ökonomische Realität eines zuneh mend unter Druck stehenden Standorts Deutschland an und setzen bewusst auf Wachstumsimpulse, Investitionsanreize und eine Stärkung der Eigenkapitalbildung. Gerade in Zeiten stagnierender Wirtschaftsleistung, nachlas sender Wettbewerbsfähigkeit und struktureller Standortnach teile ist es ein positives Signal, dass steuerliche Entlastung, Rechtsformneutralität und Bürokratieabbau wieder ins Zen trum der politischen Agenda rücken. Gleichwohl dürfen die beschlossenen Maßnahmen nicht das Ende, sondern müssen der Beginn einer umfassenden Reform phase sein. Denn der internationale Steuerwettbewerb, die Ka pitalmobilität und der technologische Strukturwandel erfor dern weitergehende Anpassungen. Gerade die vollständige Ent zerrung von Belastungsdifferenzen zwischen Rechtsformen, die Modernisierung der Gewerbesteuer und eine durchgängig in vestitionsfreundliche Abschreibungslogik bleiben zentrale Auf gaben für die kommenden Jahre. Die Umsetzung der Vorschlä ge der unabhängigen Expertenkommissionen „ Vereinfachte Unternehmensbesteuerung “ und „ Bürgernahe Einkommen steuer “ können hier für die weitere Debatte fruchtbar sein und den Katalog der umzusetzenden Maßnahmen entscheidend er weitern.
16 https://fragdenstaat.de/dokumente/258026-koalitionsverhandlungen-cdu csu-spd-ag-16-haushalt-steuern-finanzen/.
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