StuW Sonderheft NeSt 2025
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Abhandlungen – Steuerpolitik
S8
Güntzler – Steuerpolitische Reformfähigkeit im Zeichen des Koalitionsvertrages wiederherstellen
tete Entschlackung des § 1a KStG – insbesondere in den Punk ten, die die Expertenkommission ‚ Vereinfachte Unternehmens teuer ‘ gefordert hat, vorstellen: 1. Verzicht auf die Einlagefikti on, sofern keine realen Vermögensverschiebungen stattfinden. 2. Klarstellungen bei der Verlustnutzung und beim steuerlichen Einlagekonto, um unerwünschte Doppelbesteuerungen zu ver meiden. 3. Erleichterungen beim Grunderwerbsteuerrecht im Rahmen der Option. 4. Einführung eines Rückkehrrechts zur transparenten Besteuerung. Ein weiteres Spannungsfeld bildet die globale Mindestbesteue rung. Inhaltlich bekennen sich die Koalitionäre zu der Notwen digkeit der Fortführung der OECD-Säule ‑ II-Umsetzung, um ein internationales level playing field zu schaffen. Politisch und strategisch ist die CDU/CSU jedoch nicht bereit, unsere Unter nehmen auf internationaler Ebene weiterer Besteuerungsnach teile auszusetzen, wenn andere Länder nicht bereit sind in das Projekt einzusteigen beziehungsweise ihre Besteuerung auf ko operative Weise an das neuentstandene Regime anzupassen. Aus Sicht der Union ist eine belastbare Verständigung auf eu ropäischer und insbesondere transatlantischer Ebene über die Zukunft der Mindestbesteuerung dringend erforderlich. Unter nehmen wird geraten, weiterhin von der geltenden nationalen Gesetzeslage auszugehen und ihre Steuerplanung entsprechend darauf auszurichten. Ist jedoch kurz bis mittelfristig absehbar, dass die Mindestbesteuerung ihre ursprüngliche Zielsetzung – nämlich die Etablierung eines globalen Standards – nicht erfüllt kann und stattdessen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Un ternehmen einseitig beeinträchtigt wird, muss die Mindeststeu er-Richtlinie letztlich ausgesetzt werden. Die angekündigte Senkung der Stromsteuer auf das europäi sche Mindestniveau stellt sowohl aus industriepolitischer als auch sozialer Perspektive ein begrüßenswertes Entlastungssig nal dar. Besonders energieintensive Branchen dürften hiervon profitieren. Gleichwohl ist die Maßnahme in ihrer klimapoliti schen Steuerungswirkung begrenzt, da keine Differenzierung nach Effizienzgrad oder CO ₂ -Bilanz erfolgt. Im Zusammenspiel mit der CO ₂ -Bepreisung und weiteren klimapolitischen Maß nahmen wird entscheidend sein, ob die Steuerentlastung ledig lich die Preiswirkung neutralisiert oder neue Investitionsanrei ze im Bereich Effizienz und Dekarbonisierung setzt. Hier gilt es im Zweifel ordnungspolitisch nachzubessern. Die neue Wirt schaftsministerin Katharina Reiche kündigte bereits an, neue Gaskraftwerke bauen zu wollen, um kurzfristige Preisspitzen abfangen zu können. 15 Weitere Vorhaben- etwa die Ausweitung der steuerlichen För derung für Elektrofahrzeuge durch Anhebung der Bruttopreis grenze auf 100.000 Euro bei der Dienstwagenbesteuerung sowie die Sonderabschreibung für E ‑ Fahrzeuge und die Verlängerung der Kfz-Steuerbefreiung bis 2035, stützen die Transformation 11 Vgl. Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD, Verantwortung für Deutsch land, 2025, 1 ff. 12 Vgl. Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD, Verantwortung für Deutsch land, 2025, 45. 13 https://www.home.cdu.de/artikel/carsten-linnemann-einfach-mal-machen. 14 Vgl. Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD, Verantwortung für Deutsch land, 2025, 45. 15 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/katherina-reiche-klim aschutz-kann-nicht-das-einzige-ziel-sein/100128164.html.
im Vordergrund der Debatte stehen, denn sie verhindern ein erneutes Abschweifen in das Klein-Klein des Steuerrechts und rufen die notorisch klammen Landesregierungen zum Handeln und zur Einheit auf. Es kommt jetzt eben auf die großen wich tigen Dinge an. Der Koalitionsvertrag 2025 setzt hier ein bewusstes Signal: Er anerkennt die angespannte wirtschaftliche Lage und formuliert einen politischen Gestaltungsanspruch. Dass das erste Kapitel dem Thema Wirtschaft gewidmet ist, ist Ausdruck dieses An spruchs. 11 Die Koalitionäre eint die Erkenntnis, dass die Vor haben der letzten drei Jahre ungenügend waren. Sie haben nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage beigetra gen. Steuerpolitik wird hier explizit nicht nur als fiskalisches Steuerungsinstrument, sondern als standortpolitisches Hand lungsfeld begriffen. 12 Dabei sollten Reformprozesse nicht notwendigerweise als legis lativ gebündelte Interventionen mit eng gefasstem Zeithorizont verstanden werden. Insbesondere einzelne strukturelle Verbes serungen entfalten ihre Wirkung häufig erst über einen länge ren Zeitraum und können erst ex-post als Reform erkannt wer den. Insofern stellt der Koalitionsvertrag eher einen Auftakt als eine Vollendung steuerpolitischer Modernisierung dar. Positive Effekte am Anfang können als Schwung genutzt werden, um aus den vielen „ Wir wollen “ - Maßnahmen im Koalitionsver trag noch ein „ Wir werden “ werden zu lassen. Zunächst ist das wichtig, was bereits der Generalsekretär der CDU Carsten Lin nemann immer wieder betont hat: „ Einfach mal machen. “ 13 Die im Koalitionsvertrag verabschiedeten Steuervorhaben sind weitestgehend aufeinander abgestimmt. Konkret umfasst das steuerpolitische Initialpaket zwei zentrale Elemente. Erstens ha ben CDU/CSU und SPD vereinbart, eine stark degressive Afa für Ausrüstungsgüter bis zum Ende 2027 einzuführen. Danach folgt zweitens: der Einstieg in die schrittweise 1-prozentige Ab senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 und endet 2032 bei 10 Prozent. Beide Maßnahmen verfolgen unterschiedliche Zeitho rizonte und Adressaten: Während degressive Abschreibungen kurzfristig investitionsstimulierend wirken sollen, setzen Kör perschaftsteuersenkungen mittel- und langfristig strukturpoliti sche Impulse – insbesondere mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Durch die zeitliche Streckung lassen sich die resultierenden Steuerminder einnahmen fiskalisch abfedern. Daher erscheint es angezeigt, beide Maßnahmen als Teil eines kohärenten 100-Tage-Pro gramms der Regierung zu beschließen, um Tempo und Ambiti on in der Umsetzung zu verdeutlichen. Mit der angekündigten „ wesentlichen Verbesserung “ des Opti onsmodells (§ 1a KStG) sowie der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) greift der Koalitionsvertrag zwei langjährige Bau stellen des deutschen Unternehmenssteuerrechts auf. Beide Vorschriften zielen darauf ab, die steuerliche Belastung von Personengesellschaften derjenigen von Kapitalgesellschaften anzunähern – mit dem Ziel einer Rechtsformneutralität. Dazu zählt im weiteren Sinne auch der Prüfauftrag die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen ab dem Jahr 2027 unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen zu lassen. 14 Entscheidend wird sein, ob die angekündigten Vereinfachungen tatsächlich praktikabel ausgestaltet werden – eine Schwäche der bisherigen Regelung. Die CDU/CSU kann sich dabei eine weitergehende zielgerich
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