StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften

S86

Daxenberger / Hechtner / Weiß – Steuerbefolgungskosten von Pillar Two – eine qualitative Untersuchung

4.2 Komplexität der Geschäftsstruktur

In diesem Kontext wird auch die Komplexität der Umsetzung angesprochen „ [u]nd die ist meines Erachtens noch höher als die Verständniskomplexität [...], weil viele der Regeln kann ich schon verstehen und auch was gewollt ist vom Steuerpflichtigen. Man kann es schlicht weg nicht eins zu eins umsetzen. “ (I10). Insbesondere bei sehr großen Unternehmen sei die Umsetzung nicht stemmbar. Die Umsetzung gestaltet sich zudem komplex, da steuerlicher und rechnungslegungsspezifische Themen verknüpft werden müssen (I2, I5, I8, I11 ): „ Aber diesen direkten Zusammenhang, dass ich den Steueraufwand raus lese aus Accounting-Zahlen und dass wir uns jetzt erstmals auch mit Sachen wie latenten Steuern im Steuerrecht beschäftigen müssen, [...] macht das Ganze auch nochmal komplexer als klassisches Steuerrecht so wieso schon ist. “ (I5) In einzelnen Fällen wird darauf hingewiesen, dass sprachliche Herausforderungen existieren: „ Ich glaube, dass darf nicht un terschätzt werden, weil die Auslegungsschwierigkeiten, die sich daraus ergeben werden, dass es unterschiedliche Sprachen sind, werden riesengroß sein. “ (I9). Die Begriffe der deutschen Ge setzgebung werden als „ merkwürdig “ (I10) wahrgenommen. Im Idealfall können temporäre Erleichterungen, wie die sog. Safe-Harbor-Regelung, dazu beitragen, die Umsetzungskom plexität zu reduzieren. Teilweise sehen die Befragten die Er leichterungen aber als unzureichend an, da die Zahlenbasis im Unternehmen fehlt oder die Voraussetzungen der Erleichterun gen sehr hoch sind (I3, I6, I10, I11). Beispielsweise wird für die Anwendung des Safe Harbors ein qualifizierter Country-by Country-Report gefordert, der bei den Unternehmen in der ge forderten Form nicht vorliegt und demzufolge noch zu erstel len ist. Einerseits wird die Safe Harbor-Regelung als Verein fachung angesehen, insbesondere zu Beginn der Umsetzung (I6, I8, I10). Andererseits bestehen Zweifel hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit (I3, I9, I11, I12).

Neben der Komplexität der Regelungen spielen auch viele un ternehmensinterne Faktoren eine gewichtige Rolle. So wird die interne Umsetzung der Pillar Two Regelungen maßgeblich von der Anzahl der Länder und der damit einher gehenden internationalen Präsenz beeinflusst (I2, I3 I5, I8): „ Die Länder, also [...] die Anzahl ist mit Sicherheit ein Treiber der Komplexität. “ (I10). Insbesondere müssen Berater den Steuererklärungsprozess in Ländern unterstützen, in denen der Konzern keine eigenen Steuerabteilungen hat (I3, I8, I12). Zudem werden die nationa len Ergänzungsteuern (QDMTT) erheblichen Mehraufwand in jedem Land verursachen, in dem das Unternehmen aktiv ist (I6, I8, I11, I12). Daneben spielt auch die Anzahl der Geschäftseinheiten (I2, I3, I4, I5, I10, I8, I11) eine wesentliche Rolle: „ [...] [J]e internationaler die Gruppe und je mit mehr Gesell schaften operiert wird, desto höher der Einfluss auf die Befol gungskosten. “ (I9). Auch die grundlegende Struktur der Konzerne ist für die Be fragten ein bedeutender Kostentreiber (I1, I2, I3, I4, I5, I6, I7, I8, I10, I11, I12). „ Je größer der Konzern wird und je diversifizierter das Set-Up ist – also sprich ‘ : mehrere Unternehmereinheiten, IP-Ownership in mehreren Ländern, [...] Akquisitionen [...] – dann habe ich Komplexitätstreiber. “ (I10). Hier sind insbesondere die Teilkonzerne (I2, I4, I9), Betriebs stätten (I1, I4, I5, I7, I10, I12), Joint Ventures (I3, I4, I5, I6, I8, I11) und nicht konsolidierte Unternehmenseinheiten (I1, I2, I3, I12) anzuführen. Zudem wird von Unternehmensvertretern angemerkt, dass die Umsetzung noch komplexer wird, wenn der Joint Ventures Partner in Ländern sitzt, in welchen die ef fektive Mindestbesteuerung keine Anwendung findet (I7, I12). Auch Umstrukturierungen sowie der Zu- und Verkauf von Ge sellschaften sind Themen, die die TCC von Pillar Two nach oben beeinflussen können. Zudem wird die Konstellation der Partially-owned Parent Enti ty (POPE) hervorgehoben (I2, I5, I6, I12) 64 : „ [...] [J]e mehr Sie sich davon [POPE, Anmerk. d. Verf.] beschaf fen, desto komplexer wird es natürlich auch mit dem Steuerer klärungsprozess. “ (I5). Auch der Einfluss der Branchenvielfalt sowie der Homogenität des Geschäftsmodells wird teilweise als Einflussgröße auf die TCC eingeschätzt (I2, I4, I7, I9, I10). Es wird darauf hingewie sen, dass sektorspezifische Aktivitäten, insbesondere bei IP-las 64 Hierbei handelt es sich um in Teileigentum stehenden Muttergesellschaf ten (§ 4 Abs. 4 MinStG), die komplexen Vorschriften im Rahmen der Pil lar Two Regelung unterliegen. Die Primärergänzungssteuer entsteht bei der im Inland belegenen obersten Muttergesellschaft der Unternehmens gruppe (§ 8 Abs. 1 MinStG), wodurch der Top-down Ansatz verfolgt wird. Bei der sog. POPE wird der Vorgang unterbrochen, so dass nicht nur die oberste Muttergesellschaft steuerpflichtig wird, sondern auch eine Konzerngesellschaft auf einer niedrigeren Beteiligungsstufe gem. § 8 Abs. 3 MinStG.

Abbildung 2: Komplexitätstreiber laut Befragten

Anmerkung: In der Grafik werden sowohl die Antworten der Steuerberater als auch der Unternehmen (gesamt: zwölf Interviewte) zusammenfassend dargestellt.

Zusammenfassend zeigt sich in Abbildung 2, dass die Komple xität des Gesetzes zur Mindestbesteuerung vor allem durch die Vielzahl von Paragraphen, ungenauen Rechtsbegriffen und Pa ragraphenverweisen geprägt ist. Diese erhöhen die Unsicher heit und erschweren die praktische Anwendung. Auch die Vo raussetzungen für die Anwendbarkeit des Safe Harbors wird von den Befragten als Herausforderung gesehen.

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