StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S83 Daxenberger / Hechtner / Weiß – Steuerbefolgungskosten von Pillar Two – eine qualitative Untersuchung

und die Auswirkungen dieser Kosten auf wirtschaftliche Akti vitäten sowie Entscheidungsprozesse zu analysieren. Nach unserer Auffassung ermöglicht nur eine Kombination der quantitativen und qualitativen Ansätze eine präzisere Erfas sung der TCC. In Anbetracht der Vielschichtigkeit der steuerli chen Belastungen erscheint es sinnvoll, mit einem qualitativen Ansatz zu beginnen, indem Experteninterviews durchgeführt werden. Diese initiale und explorative Phase dient dazu, die re levanten Determinanten der TCC zu ermitteln, die in einer späteren umfassenden Umfrage weiter untersucht werden kön nen. Diese qualitativen Ergebnisse bieten wertvolle Hinweise darauf, welche Variablen in die Entwicklung eines standardi sierten Fragebogens aufgenommen werden sollten, der in der quantitativen Phase eingesetzt werden kann.

nisse, die Überführung der Handelsbilanz in die Steuerbilanz oder die Erstellung der Steuererklärung. 31 Steuerdeklarations kosten entstehen also bei der Erklärung, Beweissicherung oder Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsprozess. Ab bildung 1 gliedert die TCC systematisch auf und stellt sie de tailliert dar.

Abbildung 1: Übersicht TCC (in Anlehnung an: Wagner 2006).

3. Durchführung einer Interviewstudie

Neben laufenden TCC sind auch temporäre Kosten der Steuer befolgung zu berücksichtigen, sog. Anlaufkosten. 32 Tiefgreifen de Gesetzesänderungen oder -neuerungen verursachen hohe Anlaufkosten, die in den ersten Jahren der Umsetzung die re guläre Steuerkostenbelastung übersteigen können. 33 Pillar Two stellt eine solche größere Änderung dar. Zur systematischen Identifikation und Messung der TCC wer den in der empirischen Forschung verschiedene Ansätze he rangezogen. Eine häufig angewandte Methode sind Umfragen als quantitative Erhebungen, die mithilfe von strukturierten Fragebögen durchgeführt werden. 34 Dieser Ansatz ermöglicht eine breite und effiziente Datenerhebung im Vergleich zu auf wendigeren, qualitativen Ansätzen wie Fallstudien. Allerdings kann die Präzision der Messergebnisse durch Verzerrungen in der Stichprobenerhebung 35 sowie die Herausforderung, alle re levanten Kostenfaktoren zu erfassen, beeinträchtigt werden. 36 Auch könnte die Wortwahl von Umfragefragen sowie die Ver ständlichkeit der Fragen die Schätzungen der TCC erheblich beeinflussen. 37 Ein weiterer etablierter Ansatz sind abgeleitete Erhebungen, bei denen die TCC auf Basis sekundärer Informationen geschätzt werden, wie etwa im Falle amtlicher Statistiken 38 oder Steuer beratergebührenverordnung 39 . Simulationsmodelle stellen eine ergänzende Methode zur Schätzung von TCC dar. Hierbei wer den verschiedene Szenarien oder Modellansätze entwickelt, um die zukünftigen TCC unter verschiedenen Bedingungen oder Gesetzesänderungen sowie für spezifische Gruppen von Steuer pflichtigen zu schätzen. Die Daten werden häufig mithilfe von Beobachtungen oder Fallstudien erhoben. Es wurden unter schiedliche Ansätze konstruiert: Dazu zählen beispielsweise das Business Taxpayer Burden Model (BTbM) 40 , das (europäische) Standardkostenmodell ((EU)-SKM) 41 oder das SKM nach dem nationalen Normenkontrollrat (NKR) 42 . Qualitative Erhebungen hingegen zielen darauf ab, tiefergehen de Einblicke in die subjektiven Wahrnehmungen und nicht monetären Aspekte der TCC zu gewinnen. Methoden wie Fall studien, Experteninterviews oder Tagebuchuntersuchungen er möglichen eine präzisere Analyse der einzelnen steuerlichen Belastungen, sind jedoch arbeitsintensiver und weniger skalier bar. 43 Quantitative und qualitative Erhebungen werden häufig kombiniert, wie auch in der EU-Studie der European Commis sion (2022), in der neben einer umfangreichen quantitativen Umfrage auch qualitative Experteninterviews durchgeführt wurden, um die TCC von Unternehmen in der EU zu schätzen

3.1 Angewandte Methodik Öffentliche Daten zu TCC beschränken sich zumeist auf offi zielle Schätzungen. 44 Zur Ermittlung der Determinanten setzen wir auf einen explorativen Ansatz, welcher durch Experten interviews operationalisiert wird. 45 Die Interviews berücksichti

31 Vgl. Evans 2001, 5. 32 Vgl. Eichfelder 2009, 28; Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo gie 2010, 96. 33 Vgl. Eichfelder & Vaillancourt 2014, 134. 34 Vgl. Evans 2003, 70. 35 Für mehr Details zur Verzerrung des Datenrücklaufs: vgl. Bundesministe rium für Wirtschaft und Technologie 2010, 73; Eichfelder & Vaillancourt 2014, 117 – 118. 36 Vgl. z.B. für die Bürokratiekosten der Steuererhebung der Einkommen steuer in Deutschland Blaufuß et al. 2019 sowie Fochmann et al. 2023 am Beispiel der Unternehmen. 37 Vgl. Eichfelder & Vaillancourt 2014, 118. 38 Vgl. hierzu das Vorgehen bei Vaillancourt & Blais 1995. 39 Vgl. hierzu das Vorgehen bei Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2004. 40 Das BTbM, angewendet vom Internal Revenue Service (IRS) der USA, quantifiziert die TCC unter Berücksichtigung von Unternehmensgröße und -merkmalen. Die Methodik integriert ökonometrische Modelle, die administrative Daten und Umfragedaten kombinieren. Die resultieren den Aufwände werden durch logarithmische Modelle monetarisiert und in Bezug auf Unternehmensmerkmale wie Vermögen und Einnahmen analysiert. (Für mehr Informationen zum BTbM: vgl. IRS (2023)). 41 Das EU-SKM dient der mikroökonomischen Analyse und wird sowohl für Ex-ante-Bewertungen geplanter Maßnahmen als auch für Ex-post-Be wertungen zur Vereinfachung bestehender Regelungen eingesetzt. Es fo kussiert auf Verwaltungskosten der Besteuerung und erfasst ausschließ lich Belastungen, die durch Informationspflichten für natürliche oder ju ristische Personen entstehen. Die Anzahl der einbezogenen Unternehmen orientiert sich an der Relevanz der jeweiligen steuerlichen Tätigkeit. In der Regel wird eine Stichprobe von fünf Unternehmen herangezogen, wobei der Median der ermittelten Werte für die Kostenschätzungen ver wendet wird. (Für mehr Informationen zum EU-SKM: vgl. European Commission (2013), 23 – 26). 42 Das Modell des NKR erfasst die Bürokratiekosten, die durch staatlich ver anlasste Informationspflichten entstehen. Es quantifiziert den Aufwand, indem der Zeitaufwand mit Lohnkostensätzen multipliziert und Sachkos ten berücksichtigt werden. Die Berechnung erfolgt durch die „ Preis-mal Menge “ -Methode, wobei die Häufigkeit der Pflichten und die Anzahl der betroffenen Akteure einbezogen werden. (Für mehr Informationen zum Modell des NKR: Statistisches Bundesamt (2024)). 43 Vgl. Eichfelder & Vaillancourt 2014, 111 – 114; Evans 2003, 70. 44 Siehe hierzu exemplarisch den Nationale Normenkontrollrat 2024. 45 Vgl. Gläser & Laudel 2010, 39; Qu & Dumay 2011, 246 – 247.

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