StuW Sonderheft NeSt 2025
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Abhandlungen – Steuerwissenschaften
S82
Daxenberger / Hechtner / Weiß – Steuerbefolgungskosten von Pillar Two – eine qualitative Untersuchung
der erfassten Steuern um den Steueraufwand für ungewisse Steuerrückstellungen (§ 48 Nr. 4 MinStG).
Dies führt wiederum zu verschiedenen neuen Fragestellungen, wie zum Beispiel, ob beim Joint Venture derselbe Rechnungs legungsstandard zur Berechnung des Mindeststeuer-Gewinns bzw. -Verlusts (§§ 15 ff. MinStG) und der angepassten erfass ten Steuern (§§ 44 ff. MinStG) anzuwenden ist wie für die be treffende Unternehmensgruppe gem. § 1 Abs. 1 MinStG. Auch zeigt sich, dass in Teilen die notwendigen Informationen für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht notwendiger weise im bestehenden Rechnungswesen der Unternehmen ab gebildet sind. Da bislang sog. Reporting-Pakete für die Kon zernabschlüsse ausreichend waren, hat nicht jede Konzernzen trale, die für die Berechnung der Mindeststeuer zuständig ist, Zugriff auf die Einzelabschlüsse der Tochtergesellschaften, die jedoch nun die Grundlage für die Bemessungsgrundlage der Mindeststeuerberechnung bilden. Insgesamt verdeutlichen diese Aspekte, wie problematisch und aufwendig es ist, nationale Steuerregelungen an die sich weiter entwickelnden internationalen Vorgaben anzupassen. 28 Es ist nach wie vor zu befürchten, dass am Ende ein Regelwerk mit zahlreichen Inkonsistenzen und erheblichem Interpretations sowie Gestaltungsspielraum für Unternehmen und steuererhe bende Staaten entstanden ist. Zudem müssen die Berechnun gen sowie das Reporting der Ergebnisse in jedem Fall durch geführt werden, auch wenn letztlich keine Ergänzungssteuer anfällt. Als solches Regelwerk beeinflusst Pillar Two das Kos ten-Nutzen-Verhältnis der betroffenen Unternehmen für For men der Steuerplanung. Gerade die direkten Erfüllungskosten der von Pillar Two betroffenen Unternehmen sind bislang von der Forschung jedoch noch nicht ausreichend adressiert wor den. Im englischsprachigen Raum werden TCC als „ (...) costs, ari sing from the requirements of the tax system, which are incur red by the taxpayer or by some third party such as an employ er, over and above actual tax payments “ 29 definiert. Auf Seiten des Fiskus fallen Steuererhebungskosten an, während dem Steuerpflichtigen klassische Steuerbefolgungskosten entstehen. Steuererhebungskosten bestehen vor allem aus Kosten der Pla nung und Überwachung des Steuersystems, bei Steuerbefol gungskosten stehen Kosten der Steuerplanung und der -dekla ration im Vordergrund. 30 Planungskosten entstehen durch die direkte Beeinflussung der Steuerlast des Steuerpflichtigen durch Anpassung der realen Aktivitäten oder Ausübung von Wahl rechten. Steuerdeklarationskosten umfassen sowohl monetäre direkte Kosten, wie etwa Ausgaben für Steuerberatungsleistun gen, Steuerfachliteratur oder Steuersoftware, als auch nicht monetäre, indirekte Kosten, wie beispielsweise der Zeitaufwand für das Sammeln von Belegen, den Erwerb steuerlicher Kennt 27 Vgl. stellvertretend: Mühlhausen & Rieß 2024. 28 Zwei Diskussionsentwürfe des Bundesministeriums der Finanzen zum Entwurf des Mindeststeueranpassungsgesetzes (MinStGAnpG-E) wurden bereits veröffentlicht: Diskussionsentwurf für ein MinStAnpG (Bearbei tungsstand: 8.8.2024) und Diskussionsentwurf für ein MinStAnpG (Bear beitungsstand: 2.12.2024). 29 Sandford 1973, 8. 30 Vgl. Evans et al. 2000, 231; Wagner 2006, 20. 2.2 Theoretische Grundlagen zu Steuerbefolgungs kosten
Weiterhin gibt es Ausnahmeregelungen, die auf substanzbasier ten Kriterien beruhen. Diese sog. „ Carve-outs “ sollen den steu erpflichtigen Gewinn verringern, indem sie realwirtschaftliche Aktivitäten in einem Quellenland berücksichtigen. Praktisch bedeutet dies, dass ein Teil der Unternehmensgewinne aus der Bemessungsgrundlage der Mindestbesteuerung herausgenom men wird. Gemäß § 58 MinStG setzt sich der substanzbasierte Freibetrag für alle in einem Steuerhoheitsgebiet belegenen Ge schäftseinheiten, ausgenommen von Investmenteinheiten aus fünf Prozent die berücksichtigungsfähigen Lohnkosten für be rücksichtigungsfähige Beschäftigte und fünf Prozent die be rücksichtigungsfähigen materiellen Vermögenswerte zusam men. Das Gesetz umfasst auch international abgestimmte Verein fachungen. Besonders hervorzuheben sind der CbCR-Safe-Har bour (§§ 84 bis 87 MinStG) sowie Erleichterungen für unwe sentliche Geschäftseinheiten (§ 80 MinStG). Unwesentliche Ge schäftseinheiten können vereinfachte Ausgangsgrößen für den Mindeststeuer-Umsatz, den Mindeststeuer-Gewinn und die an gepassten erfassten Steuern nutzen. Die §§ 84 bis 87 MinStG regeln den Safe Harbour für vereinfachte Berechnungen, der es ermöglicht, den Steuererhöhungsbetrag auf null zu reduzieren, wenn einer der drei Testkriterien erfüllt sind: So kann der Min deststeuer-Gewinn im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet entweder gleich oder geringer als der substanzbasierte Freibetrag sein, der durchschnittliche Mindeststeuer-Umsatz und -Gewinn lie gen unter festgelegten Schwellenwerten oder der Effektivsteu ersatz entspricht mindestens dem Mindeststeuersatz. Die ver einfachten Berechnungen beruhen auf Größen aus dem Coun try-by-Country Report (CbCR), wobei der CbCR auf einem qualifizierten Konzernabschluss beruhen muss. Zudem ist eine Safe-Harbour-Regelung bei anerkannter nationaler Ergän zungssteuer enthalten (§ 81 MinStG). Jede einbezogene Gesell schaft ist nach § 75 Abs. 1 MinStG verpflichtet, einen Mindest steuer-Bericht innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Wirt schaftsjahres abzugeben. Die Verpflichtung entfällt, wenn die oberste Muttergesellschaft oder eine andere von ihr beauftragte Gesellschaft den Mindeststeuer-Bericht übermittelt (§ 75 Abs. 2 Nr. 1 MinStG). Zudem sind die Steuerpflichtigen verpflichtet, für das Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben (§ 95 Abs. 1 MinStG). Die Mindestbesteuerung bringt insgesamt eine hohe Komplexi tät in der praktischen Umsetzung mit sich. Einige Regelungen bleiben unvollständig, wie der Diskurs über die Neubewertung latenter Steuern zeigt, 27 und jede weitere Präzisierung wirft neue Fragen auf. Das bisherige Scheitern einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage auf europäischer Ebene verdeutlicht, wie schwierig eine vollständige politische Einigung ist. Auch hat das OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS im Dezember 2023 sowie im Juni 2024 zwei neue Ver waltungsleitlinien veröffentlicht, die eine Anpassung des Min deststeuergesetzes notwendig machen. Die Mindeststeuer steht vor dem Problem, eine Steuer zu sein, deren Bemessungs grundlagen aus unterschiedlichen Jurisdiktionen stammen. Eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen soll hierbei über die teilweise Verwendung von Größen aus der Rech nungslegung (IAS) erreicht werden.
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