StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S79 Daxenberger / Hechtner / Weiß – Steuerbefolgungskosten von Pillar Two – eine qualitative Untersuchung

men unabhängig von der Frage, wo sie anfallen, einem effekti ven Mindeststeuersatz von 15 Prozent unterliegen. Mit der Richtlinie (EU) 2022/2523 vom 14.12.2022 hat die Eu ropäische Union die Empfehlungen der OECD in Unionsrecht übertragen. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Min destbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen implemen tiert schließlich das neue Gesetz zur Gewährleistung einer glo balen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Min deststeuergesetz – MinStG) in deutsches Recht. 3 Die Einfüh rung der Mindeststeuer wurde durchaus intensiv durch die wis senschaftliche Literatur begleitet. 4 Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre stellte dabei zumeist die globale Fairness und die Komplexität der Mindeststeuer ins Zentrum der Debatte. 5 Pil lar Two soll einen Beitrag dazu leisten, den schädlichen Steuer wettbewerb einzudämmen. Durch die Einführung einer Min destbesteuerung soll der Anreiz zu aggressiven Steuerplanun gen gesenkt werden. Letztendlich soll damit ein Mindestmaß einer effektiven Mindestbesteuerung auf Ebene der Unterneh men erreicht werden. Liegt das Steuerniveau eines Landes unter dem Mindeststeuersatz, so führt die Mindeststeuer zu einer Nachversteuerung auf Ebene des Unternehmens. Alternativ steht es im Belieben des Landes, das dortige Steuerniveau auf das Mindestmaß anzuheben. Aus fiskalischer Sicht liegt der Nutzen einer Mindestbesteuerung in einer Veränderung des Ausmaßes an aggressiver Steuerplanung in den Unternehmen. Diesem potentiellen Nutzen der Mindestbesteuerung stehen die individuellen Kosten der Steuerpflichtigen gegenüber. Die Mindeststeuer begründet eine neue Ertragsteuerart u.a. ne ben der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. 6 Die Gesetzgebungskompetenz wird aus Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitet. Sie stellt eine neue Unternehmenssteuer mit dem fi nanzverfassungsrechtlichen Typus der Körperschaftsteuer dar, die unabhängig von der Rechtsform zu Einkommen- und Kör perschaftsteuer hinzutritt. 7 Ökonomisch kann sie damit zu ei ner zusätzlichen Belastung für Unternehmen führen. Die Erfül lung der steuerlichen Pflichten seitens der Unternehmen kön nen zu einem erhöhten Erfüllungsaufwand führen. Im Kontext von Pillar Two kann daher genauso wie bei anderen Steuern von sog. Tax Compliance Costs (TCC) gesprochen werden, da diese Kosten durch die Erfüllung der Anforderungen zur Erhe bung der Mindeststeuer entstehen. Im Gegensatz zu den klassi schen Ertragsteuern sind bei der Mindesteuer jedoch Besonder heiten zu bedenken, die die TCC beeinflussen können. Nach § 95 MinStG haben die Unternehmen die Mindeststeuer selbst zu berechnen und anzumelden. Im Rahmen der Berechnung ist wiederum zu beachten, dass die Mindeststeuer erst entsteht, wenn das Mindeststeuerniveau nicht erreicht wird. Damit ha ben Unternehmen komplexe Fallprüfungen durchzuführen, in wieweit eine Mindeststeuer überhaupt entsteht. Die Höhe der Mindeststeuer ist damit stark entkoppelt von den TCC. Es ent stehen TCC, um zu ermitteln, dass das Unternehmen effektiv nicht von der Mindeststeuer betroffen ist. Zuletzt ist zu beach ten, dass die Mindeststeuer das Ergebnis einer komplexen Rechnung ist, die sich typischerweise auf mehrere Unterneh men in einem Konzern verteilt sowie über mehrere Länder er streckt. All diese Eigenschaften dürften die TCC im Rahmen der Mindeststeuer erhöhen. Die Ergebnisse unserer Interviewstudie deuten darauf hin, dass die Mindeststeuer zu einem erheblichen Anstieg der TCC mul

tinationaler Unternehmensgruppen führt. Ursächlich ist eine ganze Reihe praktischer Herausforderungen bei der Umsetzung der Mindestbesteuerung in bestehende Steuerstrukturen der Unternehmen. Inwieweit spezifische Unternehmensfaktoren die Steuererhebungskosten von Unternehmen im Kontext von Pillar Two beeinflussen, ist Gegenstand der vorliegenden Un tersuchung. Mittlerweile ist es in den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weit verbreitet, bei Änderungen des Steuerrechts eine Abschät zung der damit verbundenen Kostenbelastungen vorzulegen. 8 Im Falle der Mindestbesteuerung rechnet alleine der deutsche Gesetzgeber mit einem nicht unerheblichen einmaligen Erfül lungsaufwand für die Wirtschaft von knapp 323 Mio. € und ei ner Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes von knapp 31Mio. € . 9 Dieser Erfüllungsaufwand wird auch nicht im Sinne der „ One in, one out “ -Regelung kompensiert, da es sich hier um die Umsetzung einer EU ‑ Richtlinie handelt. Dies bedeutet, dass der Aufwand für die Einführung der Mindeststeuer nicht durch den Abbau bestehender Regelungen oder Bürokratie in gleichem Maße ausgeglichen werden muss. Die Bundesregie rung geht von einer vollen Jahreswirkung des Aufkommens aus der Mindeststeuer von 200 Mio. € aus. 10 Bei einem unter stellen jährlichen Erfüllungsaufwand von 31 Mio. € ergibt sich hieraus eine Quote für die Steuererhebung von 15,5 %, was im Vergleich zu anderen Ertragsteuern hoch ist. 11 Somit gehen auch die Schätzungen des Gesetzgebers von einer deutlichen Belastung für die Wirtschaft aus. Aus einer Effizienzperspektive lassen sich diese Befolgungskosten als ineffiziente Allokation wirtschaftlicher Ressourcen interpretieren, da sie die effektive Steuerlast von Individuen und Unternehmen erhöhen, ohne gleichzeitig einen direkten Anstieg der staatlichen Einnahmen zu bewirken. 12 Die Ermittlung der tatsächlichen TCC erfordert in der Regel ei nen beträchtlichen Aufwand, da die erforderlichen Informatio nen nicht in der Buchführung der Unternehmen erfasst wer den. Strukturierte TCC-Daten sind auch in amtlichen Statisti 3 Vgl. BGBl. 2023 I Nr. 397 v. 27.12.2023. 4 Vgl. u.a. Altenburg et al. 2019; Benecke & Rieck 2021; Englisch 2021; Feh ling & Koch 2021; Kreienbaum 2021; Rieck & Fehling 2023; Schönfeld & Sendke 2024. 5 Vgl. stellvertretend für die Komplexität: Glutting & Meyer 2023; Benzin ger et al. 2024; Roser 2024 und stellvertretend für die Fairness: teilweise Fehling & Koch 2021. 6 Vgl. dazu Berg 2024: § 4 Grundlagen Rz. 51; Referentenentwurf für ein MinBestRL-UmsG (Bearbeitungsstand: 7.7.2023), 94 – 95. 7 Vgl. dazu BT-Drucks. 20/8668 v. 6.10.2023, 83; Vögele & Raab 2024: Rz. 493, 497. 8 Vgl. Evans & Walpole 1999, 21. Bereits 1985 wurde beispielweise im Ver einigten Königreich die Verpflichtung zur Erstellung einer Übersicht der TCC implementiert, vgl. Sandford 1995, 3. 9 Vgl. BT-Drucks. 20/9190 (neu) v. 8.11.2023, 3. 10 Vgl. BT-Drucks. 20/8668 v. 6.10.2023, 86. 11 Vgl. Blaufus et al. 2019, die Steuererhebungskosten der deutschen Ein kommensteuerpflichtigen von unter 3 Prozent des entsprechenden Steu eraufkommens für das Steuerjahr 2015 zeigen. Sicherlich ist hierbei zu betonen, dass durch die Mindeststeuer im verstärkten Maße auch eine Verhaltenswirkung ausgelöst werden soll. 12 Vgl. Eichfelder & Vaillancourt 2014, 112.

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