StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S65 Diller / Ehm – Vorweggenommene Grundsteuerhebesatzerhöhungen der Kommunen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform

gen, bei der lediglich die 20 % der am höchsten verschuldeten Gemeinden als behandelt klassifiziert werden. Abbildung 8 ver

anschaulicht die geschätzten Interaktionseffekte für beide Gruppeneinteilungen.

Abbildung 8: Die Abbildung zeigt die geschätzten Koeffizienten der Interaktionsterme sowie die 95 %-Konfidenzintervalle für die Schätzungen zu Modell (2) (schwarz) und (3) (grau). Das ausgelassene Basisjahr 2019 ist mit einer vertikalen grauen Linie gekennzeichnet. Die Gemeinden sind gemäß ihrer Pro ‑ Kopf-Ver schuldung anhand des Medians, alternativ anhand des 80 %-Perzentils gruppiert.

Auch in dieser Spezifikation zeigt sich kein signifikanter Unter schied zwischen den Gruppen für den Zeitraum von 2020 bis 2024. Bemerkenswert ist jedoch, dass die durchschnittlich star ken Hebesatzerhöhungen der Jahre 2013 und 2015 insbesonde re bei der 50:50 ‑ Aufteilung einen Effekt aufweisen. Dies legt nahe, dass vergangene Hebesatzerhöhungen in höherem Maße von fiskalischen Zwängen getrieben wurden, während die Ent wicklung der Hebesätze im Jahr 2024 offenbar nicht von diesen Faktoren beeinflusst ist. Diese Beobachtung unterstreicht die Hypothese, dass die jüngsten Anpassungen der Hebesätze we niger durch Haushaltszwänge einzelner Gemeinden motiviert sind, sondern vermehrt durch die Grundsteuerreform bedingt sein könnten. Tabelle 3 im Anhang enthält die Regressions ergebnisse für die 50:50-Aufteilung. 4. Diskussion und Ausblick Mit Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 wurde die bestehende Regelung der Grundsteuer als verfassungswidrig eingestuft, wo raufhin im November 2019 ein Reformpaket zur Neuregelung der Grundsteuer verabschiedet wurde. Seitdem besteht Unklar heit darüber, wie die Gemeinden auf die Veränderung ihrer Be messungsgrundlagen reagieren werden, bzw. inwieweit ihr He besatzverhalten von der Reform beeinflusst wird. Im vorliegenden Beitrag wird zunächst das Hebesatzverhalten nordrhein-westfälischer Gemeinden beschrieben und dem ge werbesteuerlichen Hebesatzverhalten gegenübergestellt. Im Jahr 2024 ist eine auffällig hohe Hebesatzaktivität zu verzeich nen. Dabei wird aufgezeigt, dass vergleichbare Hebesatzdyna miken der Jahr 2013 und 2015 zumindest teilweise durch fis kalische Notwendigkeiten der Gemeinden getrieben sein könn ten, für das Jahr 2024 trifft dies jedoch nicht zu. Dies deutet da rauf hin, dass Gemeinden in Erwartung der bevorstehenden Reform ihre Hebesätze bereits vor dem Inkrafttreten der Re form proaktiv anhoben. Weiter konnte gezeigt werden, dass dieses Verhalten unabhängig von der spezifischen Betroffenheit der Gemeinde durch die Reform für alle Kommunen gleicher maßen auftrat. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Kommunen die Steuerreform als Gelegenheit genutzt haben könnten, um

die Hebesätze zu erhöhen und so (dauerhaft) Mehreinnahmen zu generieren. Im Rahmen zukünftiger Forschung wird zu untersuchen sein, inwieweit sich die Hebesatzerhöhungen von 2024 in den Folge jahren fortsetzen oder stabilisieren. Von besonderem Interesse wird hier das Jahr 2025 sein, also das Jahr des Inkrafttretens der Reform. Dabei ist auch zu analysieren, welche Effekte diese Entwicklungen auf diejenigen Gemeinden haben, die bislang keine Erhöhungen vorgenommen haben, da sie durch Anste ckungseffekte oder durch veränderte Nivellierungshebesätze unter Umständen zu einer Anpassung ihrer Hebesätze verleitet bzw. gezwungen sein könnten. Wie sich diese interkommuna len Dynamiken mittel- bis langfristig entwickeln werden, bleibt eine zentrale Fragestellung, die erst durch die Beobachtung der kommenden Jahre beantwortet werden kann. Literaturverzeichnis Baskaran, Thushyanthan (2014): Identifying local tax mimicking with adminis trative borders and a policy reform, Journal of Public Economics 118, S. 41 – 51. Bundesministerium der Finanzen (2021): Monatsbericht November 2021, URL: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Monatsberic hte/2021/11.html (abgerufen am 28.12.2024).

BVerfG , Beschl. v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/ 11, 1 BvR 889/12.

Deutsche Industrie- und Handelskammer (2024): Hebesätze, URL: https://www. dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaftspolitik/steuer-und-finanzpolitik/ hebesaetze-56878 (abgerufen am 28.12.2024.).

Deutscher Bundesrat (2016): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewer tungsgesetzes, BR-Drucks. 515/16.

Deutscher Bundestag (2019): Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteu er- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG); BT-Drucks. 19/11085.

Eichholz, Meik (2020): Die Novellierung der Grundsteuer: Teil I in Deutsches Steuerrecht, 2020(24), S. 1217 – 1227.

Finanzverwaltung NRW (2021): Grundsteuer: Bundesmodell gilt für Nordrhein Westfalen, URL: https://www.finanzverwaltung.nrw.de/uebersicht-rubrik-aktuel les-und-presse/pressemitteilungen/grundsteuer-bundesmodell-gilt-fuer (abgerufen am 28.12.2024).

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