StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S63 Diller / Ehm – Vorweggenommene Grundsteuerhebesatzerhöhungen der Kommunen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform

sächlichen Hebesatzes, welches – wie oben beschrieben – gleichbedeutend mit dem Verhältnis von Vor-Reform- und Nach-Reform-Bemessungsgrundlage ist. Zunächst wird die Gruppengrenze bei einem Hebesatzverhältnis von 1,25 fest gelegt, wodurch zwei gleich große Gruppen entstehen. 23 Die neutralen Hebesätze fungieren hierbei lediglich als Informati on, um betroffene von nicht bzw. weniger betroffenen Gemein den zu unterscheiden; die Gemeinden selbst sind sich annah megemäß bereits seit dem oben beschriebenen Reformzeit punkt bzw. seit der Erstellung der ersten Grundsteuermess bescheide zumindest darüber bewusst, ob sie aufgrund der Re form Einbußen im Rahmen der grundsteuerlichen Bemes sungsgrundlage hinnehmen müssen oder ob sie zu den Re formgewinnern gehören. 24

Für die Analyse wird folgendes Modell verwendet: (2) Hebesatz € anderung Grundsteuer it ¼ þ 1 BMG i þ X t t BMG i t ð Þþ X i 2 þ t þ it Zunächst werden Gemeinden mit einem Hebesatzverhältnis (Gleichung (1)) von > 1,25 als Treatment charakterisiert, bei welchen sich die Bemessungsgrundlage deutlich negativ ver ändern wird und die entsprechenden Gemeinden somit Hand lungsbedarf sehen müssten (Hebesatzerhöhungen). Die Inter aktionsterme BMG i t erlauben eine Analyse der jährlichen Unterschiede bzgl. der Grundsteuerhebesatzänderungen zwi schen den Gemeindegruppen. Des Weiteren werden Faktoren wie die logarithmierte Einwohnerzahl (Log Einwohner) , die lo garithmierte Einwohnerdichte (Log Einwohnerdichte) und die Wohneigentumsquote berücksichtigt. Außerdem wird auf die Demografie der Gemeinden kontrolliert, indem der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren berücksichtigt wird (Anteil Be völk. >65) . 25 Zur Kontrolle der Finanzlage der Gemeinden werden die logarithmierte Verschuldung pro Kopf (Log Schul den p/E) , der logarithmierte Gemeindeanteil an Einkommen und Umsatzsteuer pro Kopf (Log Anteil ESt p/E, Log Anteil USt p/E) sowie die Differenz zwischen den von den Gemein den vereinnahmten Einzahlungen und verausgabten Auszah lungen (ohne Berücksichtigung der Finanzierungstätigkeit) in Millionen Euro (Einzahlung-Auszahlung) in das Modell auf genommen. Diese Variablen erfassen die finanzielle Belastung, die fiskalische Leistungsfähigkeit und die Haushaltsbilanz der Gemeinden, um deren unterschiedliche finanzielle Lage zu be rücksichtigen; sie werden als Xi (Vektor) bezeichnet. Die oben beschriebenen Jahresdummys t werden zusätzlich als Jahres Fixed-Effects aufgenommen, wodurch Einflüsse, welche auf be stimmte Jahre zurückgehen, berücksichtigt werden. Tabelle 1 auf der nächsten Seite beschreibt den Datensatz. Um zusätzlich auf potentiell unbeobachtete Heterogenität zwi schen den Gemeinden zu kontrollieren, wird in einem Alterna tivmodell Vektor Xi durch i ersetzt, wodurch Gemeindedum mys abgebildet werden: (3) Hebesatz € anderung Grundsteuer it ¼ þ X t t BMG i t ð Þþ i þ t þ it Abbildung 7 zeigt die t Koeffizienten der Interaktionsterme der Modelle (2) (schwarz) und (3) (grau) für eine Unterteilung der Gemeindegruppen anhand eines Hebesatzverhältnisses von 1,25. Die Balken stellen die 95 %-Konfidenzintervalle für die t Koeffizienten dar. Liegt der 0 ‑ Wert innerhalb dieser In tervalle, ist der Interaktionsterm insignifikant, da nicht mit hin reichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der 23 Eine Einteilung anhand der Medianwerte ist in vergleichbaren Diffe rence-in-Difference-Designs üblich, vgl. z.B. Havnes / Mogstad (2011), S. 105. Um die Robustheit der Ergebnisse zu testen, wird u.a. ein nied rigerer Schwellenwert für die Abgrenzung der Gruppen verwendet. 24 Da davon auszugehen ist, dass sich die Gemeinden – insbesondere kurz nach Beschluss der Reform – noch nicht in exakter Höhe ihrer Betroffen heit bewusst waren, werden im Verlauf der Analyse eine Reihe von Sensi tivitätstest durchgeführt, um auch ein nur tendenzielles Bewusstsein für Betroffenheit zu berücksichtigen. 25 Demografische Eigenschaften werden in ähnlichen Untersuchungen ebenfalls berücksichtigt, vgl. Baskaran (2014) oder Lyytikäinen (2012).

Abbildung 6: Durchschnittliche Hebesatzänderungen unterteilt nach Reform betroffenheit. Schwellenwert für Einteilung: 1,25.

Diese grafische Analyse zeigt, dass seit Beginn des Betrach tungszeitraums grundsätzlich ein paralleler Verlauf zu beob achten ist. Zwar erfolgt die Entwicklung auf leicht unterschied lichen Niveaus, dies dürfte aber insbesondere Ausdruck der verschiedenen Gemeinde-Spezifika sein. Der gleichlaufende Trend der Hebesatzänderungen in beiden Gemeindegruppen vor und nach der Reformankündigung deutet bereits grafisch darauf hin, dass die Gemeinden unabhängig von ihrer tatsäch lichen Betroffenheit auf die Reform reagiert haben. Im Folgen den wird das Hebesatzverhalten der Gemeinden im Rahmen ei ner Regressionsanalyse auch quantitativ untersucht: Die obige Einteilung der Gemeinden entsprechend ihrer Re formbetroffenheit in zwei Gruppen wird mithilfe einer Dum myvariable BMG kodiert, wobei ein Wert von 1 bedeutet, dass eine Gemeinde einen Wert für das Hebesatzverhältnis von > 1,25 aufweist (und somit zu den (deutlichen) Verlierern der Reform gezählt wird) und vice versa. Mittels Interaktionster men mit der Zeitvariable t , welche Jahresdummys abbildet, kann untersucht werden, ob sich das Hebesatzverhalten der Gruppen signifikant unterscheidet. So kann insbesondere fest gestellt werden, ob jene Gemeindegruppe, die stark von der Re form betroffen ist, maßgeblich für die beobachteten Hebesatz erhöhungen verantwortlich ist. Eine zentrale Voraussetzung für diese Aussage ist, dass die Interaktionsterme vor dem Reform beschluss keine statistische Signifikanz aufweisen, da die Grup pen sonst bereits zu früheren Zeitpunkten ein unterschiedliches Verhalten gezeigt hätten. Entscheidend für Aussagen bezüglich eines potentiell abweichenden Verhaltens der Gemeinden nach der Reformankündigung sind die Interaktionsterme der Jahre 2020 bis 2024.

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