StuW Sonderheft NeSt 2025

Abhandlungen – Steuerwissenschaften StuW Sonderheft NeSt 2025 Diller / Ehm – Vorweggenommene Grundsteuerhebesatzerhöhungen der Kommunen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform

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aufweist, haben sich die Bemessungsgrundlagen durch die Re form im Schnitt über alle gemeindlichen Grundstücke nicht verändert (BMG alt = BMG neu ). Bei Gemeinden mit einem Ver hältnis größer als 1,013 (BMG alt >BMG neu ) bewirkte die Grundsteuerreform im Schnitt ein Sinken der Bemessungs grundlagen, was als Reaktion eine Erhöhung ihrer Hebesätze erwarten ließe, um ihr Steueraufkommen aufrecht zu erhalten. Bei Gemeinden mit Hebesatzverhältnissen kleiner als 1,013 ha ben sich ihre Bemessungsgrundlagen im Schnitt durch die Re form erhöht (BMG neu >BMG alt ). Es ist nicht davon auszuge hen, dass diese Gemeinden bereits vor der Reform ihre Hebe sätze senken, da sie auf notwendige Einnahmen verzichten müssten. Jedoch würde eine aktuell nicht notwendige Erhö hung tendenziell auf eine Nutzung der sich bietenden Gelegen heit zur Einnahmengenerierung schließen lassen.

fürchtungen, dass die Reform keine aufkommensneutrale Um setzung finden wird.

2.2 Aufkommensneutralität und (aufkommens-) neutrale Grundsteuerhebesätze Wie oben beschrieben, ist das erklärte Ziel des Gesetzgebers die Aufkommensneutralität der Grundsteuerreform. Auf überkom munaler Ebene wirkt der Gesetzgeber – jedenfalls im Bundes modell der Grundsteuer – bereits durch eine deutliche Senkung der grundsteuerlichen Messzahl (vgl. § 15 GrStG) auf ein gleichbleibendes Steueraufkommen hin. Selbst wenn diese Sen kung der Steuermesszahl im Schnitt über alle Kommunen zu Aufkommensneutralität führen würde, so ist diese aufgrund unterschiedlicher Bebauungs- und Nutzungsstrukturen der Ge meinden offensichtlich nicht automatisch auch auf kommuna ler Ebene gegeben. Hier gibt es Gemeinden, bei welchen durch die Veränderung der Wertverhältnisse Steuermehraufkommen generiert wird und solche, bei denen es zu Steuerminderein nahmen kommen wird. Der Bundesgesetzgeber kann jedoch aufgrund der Hebesatzautonomie der Gemeinden nicht mehr tun, als darauf hinwirken, dass diese sich aufkommensneutral verhalten. Das tatsächliche Hebesatzverhalten der Gemeinden wird jedoch auch immer geprägt sein von anderen Einflüssen, insbesondere z.B. von deren finanziellen Belastungen. Die Trennung der Effekte ist komplex und auch der Grund für das methodischen Vorgehen im weiteren Verlauf des Beitrags. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Gemeinden sich selbst der voraussichtlichen Wirkungen der Reform auf ihre Einnahmen jedenfalls tendenziell bewusst sind, so veröffent lichte die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen (neben an deren Finanzverwaltungen) auf Grundlage der bis Mitte 2024 vorliegenden Grundsteuerwertfeststellungen und -messbeschei de gemeindespezifische, sog. (aufkommens)neutrale Hebesätze als Orientierungshilfe für die Kommunen. 18 Die aufkommens neutralen Hebesätze wurden so kalkuliert, dass sie im Falle ih rer Anwendung durch die Gemeinden für einen konstanten Einnahmenfluss zwischen den Jahren 2024 und 2025 sorgen. 19 Die Berechnung basiert darauf, dass das Steueraufkommen vor der Reform (Produkt aus dem Messbetragsvolumen vor Re form und dem Hebesatz des Jahres 2024) demjenigen nach der Reform (Produkt aus dem Messbetragsvolumen nach Reform und dem „ neutralen “ Hebesatz) entspricht. Ersteres wird zu dem um einen Wachstumsfaktor von 1,013 erhöht, um ein ste tiges Wachstum des Grundsteueraufkommens mittels der He besätze zu berücksichtigen. Neben der Neubewertung erfolgt auch eine Veränderung im Umfang des Grundvermögens, das der Grundsteuer B unterliegt, was bei der Berechnung der Neu tralhebesätze entsprechend berücksichtigt wurde. 20 Glei chung (1) beschreibt den Zusammenhang: (1) Neutralhebesatz 2025 h neutral ð Þ¼ Messbetragsvolumen 1 : 1 : 2024 BMG alt ð Þ Hebesatz 2024 h alt ð Þ 1 ; 013 Messbetragsvolumen reformiertes Recht BMG neu ð Þ ¼ > h neutral h alt ¼ BMG alt BMG neu 1 ; 013 Aufgrund des Hebesatzverhältnisses von aktuellem und „ neu tralem “ Hebesatz kann somit auf das Verhältnis von bisheriger und Nach-Reform-Bemessungsgrundlage geschlossen werden. Bei Gemeinden, bei denen das Verhältnis zwischen neutralem und bisherigem Hebesatz (Hebesatzverhältnis) den Wert 1,013

Abbildung 1: Choroplethenkarte der Hebesatzverhälnisse nordrhein-westfäli scher Gemeinden. Gemeinden sind entsprechend ihrer Betroffenheit farblich kodiert. Gemeinden, die in schwarzer Farbe dargestellt sind, weisen ein Hebe satzverhältnis von ≤ 1,013 auf. Abbildung 1 gibt eine Übersicht, wie stark die 396 nordrhein westfälischen Gemeinden (gem. den Berechnungen der Finanz verwaltung NRW) von einer Veränderung der Bemessungs

18 Vgl. Finanzverwaltung NRW (2024a), zuletzt angepasst im September 2024. Auch die Finanzministerien von Baden-Württemberg (vgl. Ministe rium für Finanzen Baden-Württemberg (2024)) oder auch Sachsen (vgl. Staatsministerium der Finanzen Sachsen (2024)) haben in Transparenz registern neutrale Hebesätze für das Jahr 2025 bekanntgegeben. 19 Vgl. Finanzverwaltung NRW (2024b); s. hier auch hinterlegtes Zahlen werk für die Berechnung der aufkommensneutralen Hebesätze. Die He besatzerhöhungen für das Jahr 2024 sind somit vollständig in die Berech nung der Neutralhebesätze eingegangen. 20 Im Zuge der Reform der Bewertungsvorschriften werden Gebäude und Gebäudeteile land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Wohnzwecken dienen, nicht mehr dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (Grundsteuer A) zugeordnet, sondern dem Grundvermögen (Grundsteu er B). Zur Ermittlung des Hebesatzes, der Aufkommensneutralität für die Grundsteuer B gewährleistet, wird das bisherige Grundsteuermess betragsvolumen der LuF ‑ Wohnteile dem Grundsteuermessbetragsvolu men der Grundsteuer B nach altem Recht hinzugefügt. LuF ‑ Wohnteile, für die ein festgestellter Grundsteuerwert übermittelt wurde, fließen in das Grundsteuermessbetragsvolumen der Grundsteuer B nach neuem Recht ein, vgl. Finanzverwaltung NRW (2024c).

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