StuW Sonderheft NeSt 2025
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Abhandlungen – Steuerpolitik
S6
Güntzler – Steuerpolitische Reformfähigkeit im Zeichen des Koalitionsvertrages wiederherstellen
Fritz Güntzler, Berlin/Göttingen* Steuerpolitische Reformfähigkeit im Zeichen des Koalitionsvertrages wiederherstellen STUW0079862
achtet man die ganze Breite der Gewerbesteuersätze in Deutschland ergeben sich bei kombinierten Unternehmensteu ersätzen (KSt, GewSt und Soli) in einigen Fällen sogar Werte über 36 Prozent. 4 Dabei liegt der Durschnitt der Unterneh mensteuersätze bei Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union bei 21,1 Prozent und in der OECD bei 23,6 Prozent. 5 Bei den Personenunternehmen schwankt die steuerliche Belas tung zwischen 35 – 45 Prozent. 6 Hier gibt es höhere Grenzbelas tungen mit bis zu 47,5 Prozent, womit Deutschland im interna tionalen Vergleich im oberen Viertel des Rankings einzusortie ren ist. 7 Mit einer Abgabenlast von 47,8 Prozent für alleinste hende Durchschnittsverdiener nimmt Deutschland im Mo ment auch bei der Arbeitnehmerbesteuerung Platz 2 ein. 8 Es herrscht also Handlungsbedarf, denn Deutschland befindet sich nun das dritte Jahr in Folge in einer Rezession. Es ver zeichnet den höchsten Anstieg an Insolvenzen in 10 Jahren. 9 Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat nun die große Aufgabe die Trendwende herbeizuführen und die Weichen neu zu stellen. II. Stand der steuerpolitischen Reformfähigkeit Dafür braucht es ein frisches Engagement im Bereich der Steu erpolitik. Der schlechte Zustand der Wirtschaft ist keine neu gewachsene Erkenntnis. Sie ist Teil einer schon seit Jahren wachsenden Debatte von Seiten der mahnenden Wirtschaft * WP/StB Dipl.-Kfm. Fritz Güntzler ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Göttingen. Seitdem ist er durchgängig Mitglied des Finanzausschusses und in der 21. Legislaturperiode Finanz politischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nebenberuflich ist er als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig. 1 Vgl. Heinemann et. al., Länderindex Familienunternehmen, 10. Aufl. 2025, 9 ff. 2 Vgl. Dorn et al., Elemente einer grundlegenden Reform für das Steuer und Abgabensystem in Deutschland, ifo Forschungsberichte 151/2024, 9. 3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1225581/umfrage/unterneh menssteuern-ausgewaehlter-laendern/. 4 https://taxfoundation.org/de/data/all/eu-de/gewerbesteuersaetze-in-deuts chland/. 5 https://www.dihk.de/de/aktuelles-und-presse/tdw/top-themen/steuerlast deutscher-unternehmen-im-internationalen-vergleich-zu-hoch-127862. 6 https://www.ihk.de/rhein-neckar/recht/steuerrecht/einkommensteuer-ko erperschaftsteuer/option-koeperschaftssteuer-5353736. 7 https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteil ungen-GS/Wirtschaftspolitik/2024/Downloads/2403-Studie-Steuerliche-S tandortqualit%C3%A4ten-f%C3%BCr-Unternehmen-in-der-EU.pdf. 8 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185987/umfrage/steuer-und sozialabgaben-nach-laendern/. 9 https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitr aege/news-details/show/insolvenzen-in-deutschland-jahr-2024.
Inhaltsverzeichnis
I. Bestandsaufnahme II. Stand der steuerpolitischen Reformfähigkeit III. Gründe für den steuerpolitischen Stillstand 1. Massenverfahren vs. Einzelfallgerechtigkeit 2. Fiskalpolitische Beschränkungen durch Bundes- und Länder haushalte IV. Aktuelle Steuerpolitische Perspektiven des Koalitionsvertrages Warum der Koalitionsvertrag eine neue Chance bietet V. Die empirische Steuerforschung als Schützenhilfe in bewegten steuerpolitischen Zeiten VI. Ausblick I. Bestandsaufnahme Die zentrale Funktion des parlamentarischen Gesetzgebers be steht darin, normative Rahmenbedingungen zu setzen, welche das gesellschaftliche Zusammenleben regulieren und gestalten. Dies betrifft in besonderem Maße die Grundlagen für unseren wirtschaftlichen Wohlstand und die Ausgestaltung einer Sozia len Marktwirtschaft, die Wettbewerb und sozialen Ausgleich gleichermaßen ermöglicht. Gerade dieser Wohlstand ist jedoch nachhaltig gefährdet- und damit der Wohlfahrtsstaat. Wir befinden uns in einem globalen Wettbewerb, und während sich Deutschland in den letzten 15 Jahren auf Erfolgen wie den Arbeitsmarktreformen, his torisch günstigen Finanzierungskosten, einer starken globalen Nachfrage nach unseren Exportgütern und vergleichsweise mo deraten Lohnkosten ausgeruht hat, investierten andere Volks wirtschaften noch mehr in ihre Fähigkeiten und Potenziale. Herausgekommen sind investitionsfreundlichere Rahmenbe dingungen, attraktivere Steuersätze, anwendungsfreundlichere Bürokratie und zeitgemäßere Infrastrukturen. 1 Insbesondere die steuerlichen Rahmenbedingungen tragen zum Erfolg einer Volkswirtschaft bei. Unter den G7 ‑ Staaten be fand sich Deutschland 2012 im Ranking der Unternehmensteu erbelastungen noch in einem soliden Mittelfeld. Inzwischen ha ben alle anderen Staaten bis auf Japan ihre Unternehmensteu ern wettbewerbsfähiger aufgestellt. Deutschland liegt nun an einsamer Spitze. 2 Die Steuerlast, die Deutschland seinen Unternehmen auferlegt, ist im internationalen Vergleich zu hoch. Auch die OECD-Stu dien der letzten Jahre dokumentieren diesen negativen Aufstieg Deutschlands. Mit einer durchschnittlichen Steuerbelastung von 29,93 Prozent gehören wir zu den Hochsteuerländern. 3 Be
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