StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerpolitik S5 Bösinger – Wachstum und Wohlstand für alle: Für mehr Evidenzbasierung in der Steuerpolitik

Abhandlungen

Steuerpolitik

Dr. Rolf Bösinger, Berlin* Wachstum und Wohlstand für alle: Für mehr Evidenz basierung in der Steuerpolitik STUW0079861

Die zentrale Funktion des parlamentarischen Gesetzgebers be steht darin, normative Rahmenbedingungen zu setzen, welche das gesellschaftliche Zusammenleben regulieren und gestalten. Dies betrifft in besonderem Maße die Grundlagen für unseren wirtschaftlichen Wohlstand und die Ausgestaltung einer Sozia len Marktwirtschaft, die Wettbewerb und sozialen Ausgleich gleichermaßen ermöglicht. Deutschland steht vor bedeutenden Herausforderungen. Hier bei sind insbesondere die schwächelnde Konjunktur, aber auch ein strukturell bedingt niedriges Wirtschaftswachstum, ein über Jahre aufgestauter Modernisierungsbedarf der Infrastruktur, die ausbaufähige Digitalisierung und die hohe Unsicherheit in Be zug auf geoökonomische und -politische Aspekte im Weltwirt schaftsgefüge zu erwähnen. Aber Deutschland erfüllt alle Vo raussetzungen, um diese Herausforderungen zu bewältigen und die Zukunft zu gestalten. Dafür braucht es einen handlungsfähi gen Staat mit tragfähigen Finanzen. Die Steuerpolitik ist eine zentrale Stellschraube für einen attraktiven und wettbewerbs fähigen Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig muss sie sozial aus gewogen sein, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode mit dem Titel „ Verantwortung für Deutschland “ eine Stärkung des Wirtschaftswachstums in den Mittelpunkt gestellt. Das bedeutet vor allem, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen spür bar zu verbessern. Diesbezüglich stellt der Investitions-Booster eine der im Koalitionsvertrag vereinbarten Sofortmaßnahmen dar. Hierbei handelt es sich um eine degressive AfA für Ausrüs tungsinvestitionen, die bei Unternehmen über die nächsten drei Jahre zu einer höheren Liquidität führen dürfte. Darauf folgt eine Phase mit schrittweiser Senkung der Unternehmens teuerbelastung ab 2028, um im internationalen Wettbewerb be stehen zu können. In Summe führt dies zu mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Unternehmen. Das ist auch gut für die Beschäftigten in Deutschland. Zu einer wachstumsorientierten Steuerpolitik gehören auch Maßnahmen, die das Arbeitskräftepotenzial stärken und so Leistungsanreize setzen. Hierzu zählen unter anderen die Be lohnung von Mehrarbeit durch steuerfreie Überstunden zuschläge und die längere Nutzung von Wissen und Kom petenzen durch die sogenannte Aktivrente. Darüber hinaus ist entscheidend, dass sich mittel- und langfristige (Tarif-)Entlas tungen auf die kleinen und mittleren Einkommen konzentrie

ren. Zur Mitte der Legislaturperiode soll deshalb u.a. die Ein kommensteuer im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ge senkt werden. Mittel- und langfristig betrachtet wird durch die se Maßnahmen die Beschäftigung ausgeweitet und die privaten Haushalte werden steuerlich entlastet. Dies wirkt ebenfalls für sich genommen positiv auf das Wirtschaftswachstum. Die steuerpolitischen Ziele und Herausforderungen der aktuel len Legislaturperiode sind somit vielfältig und komplex. Durch nachhaltige Reformen, Investitionsförderung, internationale Kooperation, Erhöhung der Arbeitsanreize und die Entlastung der Haushalte wird angestrebt, Deutschland auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen und die Weichen für zukünftigen Wohlstand in der Breite der Gesellschaft zu legen. Es ist jedoch klar, dass alle Vorhaben solide finanziert sein müs sen. Das bedeutet: Die geplanten steuerlichen Maßnahmen müssen zielgerichtet und effektiv wirken. Einen entscheidenden Beitrag zur Frage, wie diese Maßnahmen am besten ausgestaltet werden sollten bzw. wie sie wirken, kann die empirische Steuer forschung leisten: Welche steuerlichen Anreize stärken die In vestitionen und damit das Wachstumspotential schnell und ziel genau? Wie sind die Verteilungswirkungen der Steuerpolitik? Wie wirkt die internationale Koordinierung der Steuerpolitik auf die deutsche Wirtschaft? Wie kann die nachhaltige Trans formation der deutschen Wirtschaft mit positiven Wachstums und Beschäftigungswirkungen gestaltet werden? Die fundierte Beantwortung dieser Fragen benötigt entsprechende (Mikro-) Daten und Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Das Netzwerk empirische Steuerforschung (NeSt) konnte in diesem Zusam menhang bereits einige Erfolge in der Verbesserung der Daten infrastruktur von Steuerdaten in Deutschland erzielen: ins besondere die Verknüpfung unterschiedlicher, bisher nicht ver knüpfter, Steuerstatistiken sowie die Unterstützung beim Zu gang zu Daten, die der Wissenschaft zuvor nicht zugänglich wa ren. Der Koalitionsvertrag sieht eine Fortsetzung dieser Aktivi täten zur Stärkung der evidenzbasierten Politikberatung vor. Dazu soll die empirische Steuerforschung in Zusammenarbeit mit den Ländern in leistungsfähige Strukturen überführt wer den. Mit der Gründung des NeSt wurde hierfür bereits ein erster Schritt getan. Diesen Weg wollen wir weiter gehen.

* Dr. Rolf Bösinger ist Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Berlin.

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