StuW Sonderheft NeSt 2025

Abhandlungen – Steuerwissenschaften StuW Sonderheft NeSt 2025 Diller / Ehm – Vorweggenommene Grundsteuerhebesatzerhöhungen der Kommunen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform

S58

n Peer Review

Prof. Dr. Markus Diller / Daniel Ehm, beide Passau* Vorweggenommene Grundsteuerhebesatzerhöhungen der Kommunen im Zusammenhang mit der Grund steuerreform – eine empirische Analyse STUW0080108

the specifics of property tax, particularly on the potentially ad justed property tax multipliers set by municipalities. Speculation arose beforehand that municipalities might use the reform as an opportunity to increase their property tax multipliers, regardless of whether such increases were necessary from a revenue per spective. This article examines municipal data from North Rhi ne-Westphalia to investigate whether municipalities had already implemented adjustments to tax multipliers prior to the reform. The analysis reveals that especially in 2024, significant multiplier increases can be observed which-unlike previous comparable de velopments-cannot be explained by fiscal necessity and which cannot be attributed to the establishment of municipal revenue neutrality either. 1. Einleitung Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10.4.2018 die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheits bewertung als unvereinbar mit Art. 3 des Grundgesetzes einge stuft. 1 In der Folge hatte der Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 Zeit, die Grundsteuer verfassungskonform auszugestalten. Ab dem 1.1.2025 trat die novellierte Grundsteuer in Kraft. Auch wenn das erklärte Ziel des Gesetzgebers die Aufkommensneu tralität der Reform ist, so ist diese aufgrund der Abhängigkeit vom gemeindlichen Hebesatz 2 vom Verhalten der Gemeinden abhängig. 3 Eine naheliegende Hypothese hierbei ist, dass eine Form des Ratchet-Effekts vorliegt und Gemeinden mit im Durchschnitt durch die Reform gesunkenen Bemessungs grundlagen ihre Hebesätze anheben (um ihre Einnahmen auf recht zu erhalten), aber Gemeinden mit im Durchschnitt er höhten Bemessungsgrundlagen diese nicht senken (obwohl haushaltstechnisch möglich). Auch wenn eine endgültige Mes sung der Belastungswirkungen der Reform unter Einschluss von Hebesatzdynamiken vermutlich erst in einigen Jahren * Prof. Dr. Markus Diller ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschafts lehre mit Schwerpunkt Taxation der Universität Passau. Daniel Ehm ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl. Die Autoren danken sowohl den beiden anonymen Gutachtern als auch den Editoren des Son derheftes für die wertvollen Anmerkungen zum Beitrag. 1 Vgl. BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14; Seer (2019), S. 941. 2 In der weiteren Betrachtung werden unter dem Begriff „ Hebesätze “ die Hebesätze der Grundsteuer B verstanden. 3 Bereits 2017 wurde auf die Möglichkeit der Mehreinnahmen durch ent sprechende Grundsteuerhebesatzanpassungen in der Literatur verwiesen, vgl. Hey (2017), S. 33.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 2. Die Grundsteuerreform

2.1 Chronologie, zentrale Neuerungen und bisherige Forschung 2.2 Aufkommensneutralität und (aufkommens-)neutrale Grund steuerhebesätze 3. Das Hebesatzverhalten der Kommunen im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform 3.1 Vorweggenommene Hebesatzänderungen 3.2 Die Reformbetroffenheit als Treiber der Hebesatzerhöhungen 3.3 Fiskalische Notwendigkeit als Treiber der Hebesatzerhöhungen 4. Diskussion und Ausblick Literaturverzeichnis Anhang Die Grundsteuerreform, die nach einem langwierigen Reform prozess im Jahr 2025 in Kraft trat, führt zu grundlegenden Än derungen der Bemessungsgrundlage (sowie der Messzahl) der Grundsteuer. Wie sich diese Änderungen allerdings in effektive Belastungswirkungen übersetzen, ist insbesondere auch von den potentiell ebenfalls im Zuge der Reform sich verändernden Grundsteuerhebesätzen der Gemeinden abhängig. Im Vorfeld wurde oft spekuliert, dass die Kommunen die Reform als Gele genheit nutzen würden, ihre grundsteuerlichen Hebesätze zu er höhen, unabhängig davon, ob dies aus Aufkommenssicht not wendig ist. Im vorliegenden Beitrag wird anhand von kom munalen Grundsteuerhebesatzdaten aus Nordrhein-Westfalen untersucht, inwieweit Kommunen bereits vor Inkrafttreten der Reform Hebesatzanpassungen vorgenommen haben. Zudem wird analysiert, inwiefern diese mit einer aufkommensneutralen Grundsteuerbelastung in Zusammenhang stehen. Die Analyse zeigt, dass insbesondere im Jahr 2024 ausgeprägte Hebesatzerhö hungen zu beobachten sind, die sich – im Gegensatz zu bisheri gen vergleichbaren Entwicklungen – nicht durch fiskalische Not wendigkeiten erklären lassen und welche auch nicht auf die Her stellung gemeindlicher Aufkommensneutralität zurückgeführt werden können. The property tax reform, which comes into effect in 2025 follo wing a protracted reform process, introduces fundamental changes to the tax base of the property tax. However, how these changes translate into tax burdens for taxpayers also depends on

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