StuW Sonderheft NeSt 2025
StuW Sonderheft NeSt 2025
Abhandlungen – Steuerwissenschaften S53 Teuber / Wilhelm / Herrmann / Stöwhase – Wirtschafts- und Politikberatung mit der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2020
5.2 Umwandlung KuG in Bruttolohn Eine sinnvolle Nutzung der Daten für Folgejahre ist nur dann möglich, wenn das im Jahr 2020 bezogene KuG wieder in den zugrunde liegenden Bruttolohn zurücktransformiert wurde. Für die Fortschreibung muss daher für alle Fallgruppen mit dem Wegfall des KuG der Bruttolohn um eine plausible Grö ßenordnung angehoben werden. Eine exakte Berechnung der Höhe des dem KuG zugrunde lie genden entfallende Bruttolohns ist mit den gegebenen Informa tionen nicht möglich. Nach § 105 SGB III liegt die Entgelt ersatzrate des KuG bei 60 Prozent des ausgefallenen Nettoent gelts bzw. 67 Prozent, wenn die beschäftigte Person mindestens ein Kind hat. Somit wäre es nur möglich den entfallenen Brut tolohn mit Hilfe der Informationen zur gewählten Lohnsteuer klasse iterativ zu berechnen, wenn monatsgenaue Angaben zu KuG und Bruttolohn in der Steuerstatistik vorliegen würden. In den Daten sind jedoch lediglich Informationen auf Jahres basis vorhanden. Zudem erhöhten sich durch das Sozialschutz Paket II (BGBl. 2020 I Nr. 24) die Entgeltersatzraten im Jahr 2020 bei hohen Verdienstausfällen um jeweils 10 Prozent punkte ab dem 4. bzw. ab dem 7. Monat. Die Rückrechnung vom KuG auf den ausgefallenen Bruttolohn erfolgt daher auf Basis durchschnittlicher Zusammenhänge zwischen KuG und Bruttolohnausfall. Hierfür verwenden wir externe Daten zur Verteilung des Arbeitsausfalls ( Bundesagen tur für Arbeit 2020b) und bilden daraus sieben Fallkonstellatio nen. Diese differenzieren nach der Steuerklasse sowie danach, ob ein Kind vorhanden ist. 20 Für alle Konstellationen wird ein durchschnittlicher Lohn-KuG ‑ Faktor berechnet, der die Relati on zwischen gezahltem KuG und dem ausgefallenen Brutto lohn angibt. Zur Berechnung der Lohn-KuG ‑ Faktoren sind wir folgender maßen vorgegangen: Im Jahr 2020 betrug der durchschnittliche Arbeitsausfall von Kurzarbeitenden ab dem Monat März etwa 40 Prozent ( Bundesagentur für Arbeit 2020b). Im Detail wiesen etwa 34 Prozent einen Arbeitsausfall von bis zu 25 Prozent auf, circa 38 Prozent von über 25 bis 50 Prozent, ungefähr 17 Pro zent von über 50 bis 75 Prozent, weitere 9 Prozent von über 75 bis 99 Prozent und 2 Prozent einen vollständigen Ausfall (Ab weichungen durch Rundung). 21 Um die Höhe des Bruttolohns vor der Inanspruchnahme von KuG zu ermitteln, berücksichti gen wir, dass sich Personen in Kurzarbeit systematisch von de nen unterscheiden, die nicht in Kurzarbeit sind. 22 Daher haben wir die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste aus dem Jahr 2019 der jeweiligen Wirtschaftszweige herangezogen ( Sta tistisches Bundesamt (Destatis) 2020) und diese mit der Vertei lung der Kurzarbeitenden über die unterschiedlichen Wirt schaftszweige gewichtet. Der resultierende durchschnittliche Monatslohn beträgt dann ca. 3.710 € . Dieser Monatslohn wird verwendet, um für alle Steuerklasse/ Kind-Konstellation Verdienstausfall-Szenarien mit den oben aufgeführten Verdienstausfall-Klassen zu simulieren. In jedem Szenario ergibt sich eine Relation zwischen dem Verdienstaus fall und dem erhaltenen KuG. Alle Relationen werden mit der Verteilung der Verdienstausfälle gewichtet und ergeben schließlich den durchschnittlichen Lohn-KuG ‑ Faktor für die Steuerklassen/Kind-Konstellationen. Die resultierenden Fak toren sind in Tabelle 7 dargestellt.
Tabelle 7: Lohn-KuG -Faktoren zur Rückrechnung von KuG auf den Brutto lohn
Steuerklasse
Personen ohne Kinder
Personen mit Kindern
I/IV
2,95
2,65 2,61 2,36 3,23
II
–
III
2,63 3,60
V
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020 und Bundesagentur für Arbeit 2020b.
Wir unterstellen also einer Person in der Steuerklasse I ohne Kind, dass bei Bezug von 2.000 € KuG ein Bruttolohn i.H.v. 2,95×2.000 € = 5.900 € weggefallen ist. Da das KuG für Per sonen mit Kindern aufgrund der höheren Entgeltersatzrate hö her ausfällt, muss bei gleicher KuG ‑ Höhe weniger Lohn wegge fallen sein. Dies erklärt die niedrigeren Faktoren, die sich bei Personen mit Kindern ergeben. Der positive Zusammenhang zwischen KuG und Nettolohn führt zusammen mit der in der Steuerklasse III am geringsten ausfallende Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn dazu, dass sich dort der niedrigste Fak tor ergibt. Für die Fortschreibung wird nun für jede Person, die KuG be zogen hat, durch Anwendung des zugehörigen Lohn-KuG ‑ Fak tors der coronabedingte Lohnausfall identifiziert und mit ihm ein fiktiver Bruttolohn für das Jahr 2020 berechnet. Dieser Bruttolohn unterliegt dann für Prognosejahre der normalen Modellfortschreibung. Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2020 ein coronabedingter Lohnausfall i.H.v. ca. 45,9 Mrd. Euro. Die se Summe verteilt sich wie folgt: Rund 40 Prozent entfallen auf Personen mit Kindern, während etwa 47 Prozent auf verhei ratete Personen entfallen. Der durchschnittliche Lohnausfall beträgt für Männer 5.917 € und für Frauen 4.828 € , liegt aber in etwa der Hälfte aller Fälle bei maximal 3.000 € pro Jahr. Die Größenordnung des insgesamt umgewandelten Brutto lohns kann anhand der Angaben zu erstatteten Sozialversiche rungsbeiträgen der Arbeitgebenden plausibilisiert werden: Die Erstattungen umfassten nach § 109 Abs. 5 SGB III alle auf das KuG entfallenden Sozialversicherungsbeiträge und betrugen im Jahr 2020 rund 37,6 Prozent. Dabei entspricht die Bemessungs grundlage 80 Prozent des wegfallenden Bruttolohns. Unter Be rücksichtigung des in Kapitel 3 erläuterten Zeitverzugs zwi schenKuG ‑ Auszahlung und Erstattung der Beiträge führen die Ausgaben der BA ( Bundesagentur für Arbeit 2020a) im Jahr 2020 und den ersten drei Monaten des Jahres 2021 zu ei nem Volumen von ungefähr 42 Mrd. Euro als Schätzgröße des Bruttolohnwegfalls. Das von uns ermittelte Volumen fällt leicht höher aus, bspw. weil auch Bruttolöhne oberhalb der Beitrags bemessungsgrenze weggefallen sind (die Gegenrechnung durch 20 Bei Berücksichtigung der Lohnsteuerklassen I bis V würden sich hier zu nächst 5×2 = 10 Fallkonstellationen ergeben. Aufgrund der identischen steuerlichen Behandlung in den Klassen I und IV und der Tatsache, dass Klasse II nur bei Vorhandensein eines Kindes möglich ist, reduziert sich die Zahl der möglichen Konstellationen jedoch auf Sieben . 21 Angaben über Anzahl der Kurzarbeitenden, Wirtschaftszweige und Ver dienstausfälle wurden den Daten der Bundesagentur für Arbeit zur reali sierten Kurzarbeit entnommen Bundesagentur für Arbeit 2020b. 22 Wichtige Einflussfaktoren sind dabei beispielsweise die Höhe des Haus haltseinkommens, die Möglichkeit nach mobiler Arbeit sowie der Bil dungsabschluss ( Kruppe und Osiander 2020; Kagerl und Kruppe 2024).
Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online