StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S49 Teuber / Wilhelm / Herrmann / Stöwhase – Wirtschafts- und Politikberatung mit der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2020

tistik ablesen lässt und die Statistiken der BA keine exakten Rückschlüsse auf das Veranlagungsjahr zulassen verwenden wir sowohl die FAST 2017 als auch die FAST 2020 für unsere Analysen. Beide Datensätze sind geschichtete 10 Prozent ‑ Stich proben der Gesamtstatistik. Startpunkt der Analyse ist ein Merkmal in der Steuerstatistik, das die Angaben zum „ Bruttobetrag Kurzarbeitergeld/Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, Aufstockungsbeträge nach dem Alters teilzeitgesetz u.ä. lt. LSt ‑ Bescheinigung “ enthält. 5 Dabei handelt es sich um die in der individuellen Jahreslohnsteuerbescheini gung ausgewiesene und der Finanzverwaltung elektronisch übermittelte Summe aller von Arbeitgebenden ausgezahlten Lohnersatzleistungen. 6 Damit steht ein valides Merkmal zur Verfügung, das auch die Höhe des KuG ‑ Bezugs enthält. Im Jahr 2020 weist der Datensatz bei hochgerechnet rund 9,865 Mio. Personen solche Lohnersatzleistungen mit einem Volumen von 22.045 Mio. Euro auf. In der FAST 2017 beträgt das entsprechende Volumen 4.950 Mio. Euro und verteilt sich auf nur 1,339 Mio. Personen. Dieser Anstieg sowohl des Auf kommens als auch der Zahl der Personen kann zunächst als co ronabedingtes KuG interpretiert werden. 7 Mit Hilfe weiterer Informationen in der Steuerstatistik können wir das im Merkmal enthaltene KuG genauer eingrenzen, in dem wir Personen identifizieren und ausschließen, die andere unter diese Kennziffer fallende Lohnersatzleistungen erhalten haben. Dazu gehören neben Empfängerinnen von Mutter schaftsgeld auch Personen, die Altersteilzeitzuschläge nach § 93 des Bundesbeamtengesetz erhalten haben, sowie sozialversiche rungspflichtig Beschäftigte mit Zuschlägen nach dem Altersteil zeitgesetz. Für rund 300.000 Frauen im Alter von unter 50 Jah ren, die ein Kind haben, das jünger als ein Jahr ist, nehmen wir an, dass der in der Kennziffer angegebene Wert Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld und nicht KuG darstellt. Weitere 100.000 Personen lassen sich herausfiltern, da sie im betreffenden Jahr keinen sozialversicherungspflichtigen Lohn erhalten haben, was Personen mit Altersteilzeitzuschlägen nach dem Besol dungsgesetz betrifft. Für die verbleibenden Fälle deckeln wir den Betrag des KuG auf die Höhe der gesamten Lohnersatzleis tungen, die bei der Steuerberechnung berücksichtigt wurden. 8 Durch diese Korrekturen wird in der FAST 2020 ein Volumen an Lohnersatzleistungen von gut 1,81 Mrd. Euro, verteilt auf rund 420.000 Personen, herausgefiltert. Es verbleibt die Aufgabe, die Zuschläge nach dem Altersteilzeit gesetz zu identifizieren. Dies geschieht unter der plausiblen An nahme, dass sich deren Zahl zwischen dem Veranlagungsjahr 2017 und 2020 nur marginal verändert hat. Diese Fälle können indirekt über eine Differenzenrechnung zwischen den Statisti ken der Jahre 2017 und 2020 herausgerechnet werden. Dazu sind in der FAST 2017 zunächst die Zuschussempfängerinnen zum Mutterschaftsgeld sowie Beziehende von Altersteilzeit zuschlägen nach dem Besoldungsgesetz herauszurechnen. Da durch verbleibt ein bereinigtes Gesamtaufkommen von rund 3,6 Mrd. Euro, verteilt auf 1 Mio. Personen. 9 Dieses umfasst neben den Altersteilzeitzuschlägen auch das in allen Jahren vorhandene saisonale KuG und wird schließlich aus der FAST 2020 herausgerechnet. Im Ergebnis erhalten wir die Fallzahl und das Volumen des durch die Corona-Pandemie zusätzlich ausgezahlten KuG im Veranlagungsjahr 2020. 10 Tabelle 1 fasst unser Vorgehen und die in den einzelnen Schritten berücksich tigten aggregierten Größen zusammen.

Tabelle 1: Herleitung der KuG ‑ Fallzahlen und des KuG ‑ Volumens

Volumen in Mio. Euro

Fallzahlen in Tsd.

1. Erfasstes potentielles Gesamtvolumen (Merkmale C47119+C48119) lt. FAST 2020 2. Abzgl.: Mutterschaftsgeld; Zuschläge nach Besoldungsgesetzen; nicht im tatsächl. Progressionsvorbehalt berücksichtigte Angaben lt. FAST 2020 3. Abzgl.: Aufstockungsbeträge nach dem Alters teilzeitgesetz; saisonales KuG lt. FAST 2017

22.045

9.865

1.810

420

3.600

1.000

4. Coronabedingtes KuG

16.635

8.445

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der FAST 2017 und FAST 2020. Fall zahlen gewichtet mit den jeweiligen Hochrechnungsfaktoren.

Im Ergebnis ermitteln wir 8,445 Mio. Personen mit einem Be zug von coronabedingtem KuG i.H.v. 16,635 Mrd. Euro. 11 Ta belle 2 gibt einen differenzierten Überblick darüber, wie sich die betreffenden Fälle nach Geschlecht, Veranlagungsart und Höhe des KuG unterscheiden. Demnach erhielten knapp 5,8 Mio. oder umgerechnet fast 70 Prozent aller Fälle ein KuG von unter 2.000 € , während nur etwa 6 Prozent ein KuG von mindestens 6.000 € bezogen. In gut 57 Prozent der Fälle wurde das KuG an Männer ausgezahlt. Bei Frauen überwiegen in allen KuG ‑ Klassen die Grundtabellenfälle, während bei Männern Grundtabellenfälle nur bei geringem KuG ‑ Bezug in der Mehr heit sind, ab 2.000 € überwiegen die Splittingfälle. 5 Kennziffern C47119 (Person A) und C48119 (Person B). Die Kennziffern sind aufgrund der Anonymisierungsmaßnahmen der FAST-Daten ab sehr hohen Einkünften nur als Dummy enthalten. Für unser Vorgehen ist das unproblematisch, weil lediglich 0,014 Prozent der besetzten Kenn ziffern von der Anonymisierung betroffen sind. Diese Fälle haben wir von allen Anpassungsmaßnahmen ausgenommen. 6 Weitere dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkommensersatz leistungen wie das Arbeitslosengeld, das Mutterschaftsgeld oder das El terngeld werden nicht vom Arbeitgebenden ausgezahlt und sind in den herangezogenen Kennziffern nicht enthalten. 7 Dieser Ansatz unterscheidet sich beispielsweise vom Vorgehen des Bun desrechnungshofs, der in seiner Prüfmitteilung zu den steuerlichen Aus wirkungen des KuG das Gesamtaufkommen des Merkmals als KuG inter pretiert hat (vgl. hierzu Bundesrechnungshof 2022, Seite 17). 8 Der Abgleich ist notwendig, weil die ausgewiesenen Lohnersatzleistungen nicht immer identisch sind mit dem Betrag, der als Progressionsvorbehalt tatsächlich nach § 32b EStG berücksichtigt wird. Dieser Betrag wird durch separate Kennziffern C66200 und C66201 in der Steuerstatistik er fasst. Im Falle von Unterschieden zu den eingetragenen Daten laut Lohn steuerbescheinigung sind sie die validere Größe. Insgesamt betrifft diese Deckelung weniger als 10.000 Fälle bzw. 0,1 % aller Fälle mit Lohnersatz leistungen und ist empirisch von geringer Bedeutung. 9 Die Ausgaben der BA für das KuG (saisonales, konjunkturelles KuG so wie Transferkurzarbeitergeld) betrugen im Jahr 2017 lediglich 551 Mio. Euro. Vgl. hierzu: Bundesagentur für Arbeit 2020a. Ein Großteil des im Jahr 2017 nach den ersten Bereinigungsschritten ausgewiesenen KuG ist entsprechend auf andere Lohnersatzleistungen wie die Zuschüsse zur Al tersteilzeit bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurückzuführen. 10 Eine Ausnahme bilden die Verdienstausfallentschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, die bspw. nach behördlich angeordneter Quaran täne anfallen können. Sie werden ähnlich berechnet und steuerlich be handelt wie das KuG und sind bzgl. der Fortschreibung in spätere Jahre deutlich zurückgegangen. Daher erscheint es unproblematisch, sie als Be standteil der strukturellen KuG ‑ Problematik einzubeziehen. Eine amtli che Statistik des Gesamtaufkommens zum Abgleich ist jedoch nach unse rem Kenntnisstand nicht verfügbar. 11 Damit unterscheidet sich das Volumen erheblich von dem im Bericht des Bundesrechnungshofes ausgewiesenen 22 Mrd. Euro, die sich ergeben, wenn das Gesamtvolumen des Merkmals herangezogen wird, in dem das KuG enthalten ist. ( Bundesrechnungshof 2022, S. 20).

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