StuW Sonderheft NeSt 2025

StuW Sonderheft NeSt 2025

Abhandlungen – Steuerwissenschaften S31 Dyck / Hechtner / Maiterth / Sureth-Sloane – Abschreibungen als Mittel der Investitionsförderung in Deutschland

Neben den in diesem Abschnitt angeführten empirischen Stu dien gibt es noch Simulationsstudien, die unter Zuhilfenahme von Daten der Amtlichen Statistik interessante Einblicke bie ten. 45 Solche Simulationsstudien nutzen empirische Befunde, um Wirkungszusammenhänge zu modellieren. Dabei werden Parameter auf der Basis der Amtlichen Statistik und weiterer Datenbanken bzw. bestehender Prognosemodelle abgeleitet und fortgeschrieben, um schließlich in Sensitivitätsrechnungen die Bandbreite der Folgen einer Parametervariation im Rahmen von dynamischer oder statischer (Mikro-)Simulation für ver schiedene Reformoptionen durchzuspielen und durch Tests der Repräsentativität zu untermauern. 46 Insgesamt erlauben solche Simulationen, auch wenn es sich hier nicht um empiri sche Analysen im klassischen Sinne handelt, Rückschlüsse da rüber, in welcher Größenordnung und Bandbreite mit Effekten bestimmter Steuerreformen zu rechnen ist. In diesem Zusam menhang hat sich auch das BMF immer wieder engagiert und wird dies über das NeSt auch weiterhin tun. Insgesamt ist das limitierte Wissen im deutschen Kontext da rauf zurückzuführen, dass die in der empirischen Forschung genutzten Datenquellen keinen hinreichend hohen Detailgrad aufweisen, um ein umfängliches Bild über die Nutzung und Wirkungsweise unterschiedlicher Abschreibungsregelungen durch deutsche Unternehmen unterschiedlicher Größe und Rechtsform zu erhalten. Die beschriebenen Limitationen sind allerdings nicht spezifisch für Deutschland, sondern finden sich auch bei vielen internationalen Studien. Ohrn (2019) greift beispielsweise auf aggregierte Daten auf Industrie-Bundesstaa ten-Ebene zur Analyse steuerlicher Sonderabschreibungen in den USA zurück und kann die tatsächliche Inanspruchnahme auf Unternehmensebene nicht nachvollziehen. Es existieren hingegen auch Studien, die auf interne Daten der Finanzver waltung oder Steuererklärungsdaten zurückgreifen. Diese wei sen allerdings auch oftmals nicht die nötige Granularität oder Datentiefe auf, um die Wirkung einzelner Abschreibungsvor schriften zu identifizieren. 47 Wie Steuern in unternehmerischen Entscheidungen Berück sichtigung finden, hängt von der Expertise der Entscheidungs träger und deren Einschätzungen über die Wirkungen der Be steuerung ab. 48 Diese Einschätzungen können allerdings nicht ohne Weiteres beobachtet, sondern lediglich im Rahmen von Befragungen, Interviews oder Laborexperimenten erhoben wer den. Solche Studien bieten wichtige Einblicke, weisen aber auch Limitationen, etwa durch den subjektiven Blickwinkel der Be fragten, auf. 49 So ist nicht auszuschließen, dass die Befragten die gestellten Fragen nicht verstehen oder bestimmte Abschrei bungsregeln nicht kennen. Diesem Problemfeld kommt aller dings bei Befragungen, die darauf abzielen, herauszuarbeiten, welche Abschreibungsinstrumente sich besonderer Beliebtheit erfreuen, wenig Bedeutung zu, da es dabei gerade um die sub jektive Perspektive und individuell wahrgenommene Nützlich keit geht. In den Jahren 2020 bis 2023 haben wir in unterschiedlichen Teams vier verschiedene Befragungen von Entscheidungsträ gern in Unternehmen durchgeführt, in denen wir u.a. nach der Nutzung bzw. der Einschätzung der Wirksamkeit von Ab III. Analyse einzelner Abschreibungsvorschriften mittels Befragungen

schreibungen gefragt haben (Corona-Befragung, ZDH-Befra gung, BMF/DIHK-Befragung und GBP-Befragung). Dazu ha ben wir Personen in Einzelunternehmen, Personengesellschaf ten und Kapitalgesellschaften befragt. Darunter waren Unter nehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen, also aus Han del, Dienstleistung und Industrie sowie dem Handwerk. Wir haben Unternehmen aller Größenordnungen in ganz Deutsch land befragt. Die Stichproben umfassen je nach Befragung 136 Unternehmen bis 2.339 Unternehmen. Diese Befragungen erlauben uns, ein umfassendes und, wie sich zeigt, über die Zeit konsistentes Bild über die Einschätzung der Attraktivität von Abschreibungen in deutschen Unternehmen zu gewinnen. So haben wir im Jahr 2020 in einer Befragung im Zusammen hang mit der Diskussion über und der Einführung von steuerli chen Maßnahmen für deutsche Unternehmen zur Unterstüt zung der Bewältigung der Corona-Krise danach gefragt, wie nützlich die Befragten in den Unternehmen die umgesetzten beziehungsweise vorgeschlagenen Corona-Maßnahmen im Hinblick auf eine Verbesserung der Liquiditätssituation ein schätzen. 50 Dabei haben wir nach der Einschätzung der Nütz lichkeit einer Sonderabschreibung, nach der Herabsetzung von Steuervorauszahlungen, nach einem vorläufigen Verlustrück trag, einem unbürokratischen Verlustrücktrag bis hin zu einer Mehrwertsteuersenkung gefragt. Die Befragung erfolgte online und die Fragebögen wurden gewerblichen Unternehmen über Institutionen und Kreditinstitute 51 zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grunde ist die Rücklaufquote, wie bei den übrigen in diesem Abschnitt zitierten Befragungsstudien, nicht bekannt. Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, sind in dieser Befragung Ein zelunternehmer mit etwa 30 % deutlich unterrepräsentiert (bundesweit 2020: 59,1 %), wohingegen Personengesellschaften mit etwa 26 % (bundesweit 2020: 12 %) und Kapitalgesellschaf ten mit etwa 44 % (bundesweit 2020: 22,7 %) überrepräsentiert sind. 52 Tabelle 1 auf der nächsten Seite liefert einen Überblick über die Befragungen und deren zentrale Elemente. 45 Vgl. zu derartigen Studien Oestreicher et al. (2008); Oestreicher et al. (2013); Koch / Langenmayr (2020); Koch / Oestreicher (2023); Koch / Langen mayr / Schön (2023); Sureth-Sloane / Giese (2024). 46 Vgl. zur Methodik etwa Graham (1996a); Graham (1996b); Graham / Kim (2009) sowie Oestreicher et al. (2013). 47 Vgl. bspw. Aarbu / MacKie-Mason (2003) für Norwegen; Zwick / Mahon (2017) für die USA, Wielhouwer / Wiersma (2017) für die Niederlande, Guceri / Albinowski (2021) für Polen. 48 Zur Bedeutung von internem und externem Steuerwissen (tax literacy, tax advice) bei Investitionsentscheidungen, vgl. Bischof et al. (2024b), und zu steuerlichen (Fehl ‑ )einschätzungen, vgl. Heinemann-Heile et al. (2025). 49 So ist, je nach Befragung, z.B. nicht immer zu klären, welche Rolle ein sog. Self-interest Bias (vgl. bspw. Eichfelder / Hechtner (2018) und Foch mann et al. (2023)) spielt und ob Antworten zum Teil oder ganz auf man gelnde Sorgfalt der Befragten oder Missverständnisse im Zusammenhang mit der Befragung zurückzuführen sind. 50 Vgl. ausführlich zu den Ergebnissen dieser Befragung Heile et al. (2020a) und Heile et al. (2020b). 51 Dies waren die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, die Deutsche Bank, Kreisspar kasse Bersenbrück, Sparkasse Paderborn-Detmold sowie die Verbund Volksbank OWL. 52 Für die bundesweiten Anteile nach Rechtsform im Berichtsjahr 2020, vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2023).

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online