StuW Sonderheft NeSt 2025

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Abhandlungen – Steuerwissenschaften

S30

Dyck / Hechtner / Maiterth / Sureth-Sloane – Abschreibungen als Mittel der Investitionsförderung in Deutschland

onsanreize jedoch besonders wirksam, wenn sie bei betroffenen Unternehmen die Unsicherheit reduzieren. 36 Insofern stellt eine zeitliche Flexibilisierung von Abschreibungsregelungen, bei der Abschreibungen sowohl vorgezogen als auch in die Zu kunft verlagert werden können, in Krisenzeiten ein besonders wirksames Instrument dar. 37 Eine Beschränkung von Abschreibungen oder vergleichbaren Fördermaßnahmen auf bestimmte Wirtschaftsgüter und Inves titionen, die aus Budget- oder Lenkungsgesichtspunkten er folgt, ist ebenfalls problematisch. Zum einen können Investitio nen in begünstigte Wirtschaftsgüter die Investition in nicht-be günstigte Güter verdrängen. 38 Zum anderen erweist sich die Differenzierung zwischen förderwürdigen und nicht-förder würdigen Wirtschaftsgütern im Einzelfall als äußerst schwierig, was wiederum die Steuerkomplexität sowie die Streitanfälligkeit des Steuerrechts erhöht. 39 Ungeklärt bleibt vor allem, nach wel chen Kriterien Wirtschaftsgüter, die beispielsweise der Digitali sierung oder dem Klimaschutz dienen, von solchen unterschie den werden können, die diese Ziele nicht verfolgen. 40 Ohnehin wirken sich, wie oben beschrieben, beschleunigte Abschreibun gen bei langlebigen Wirtschaftsgütern (z.B. Energienetze und digitale Infrastruktur) bereits stärker aus, während Investitio nen in die Entwicklung eigener Software steuerlich nicht akti viert werden dürfen und damit sofort abgeschrieben werden. Insofern scheint eine Begünstigung bestimmter Wirtschafts güter gerade deshalb nicht zielführend, weil breit angelegte Sonderabschreibungen automatisch langlebige Wirtschafts güter fördern. 41 Angesichts der Tatsache, dass Bürokratiekosten und steuerliche Unsicherheit KMU besonders stark belasten bzw. in ihren In vestitionsbestreben beeinträchtigen, ist eine sorgfältige Evaluie rung der konkreten Ausgestaltung von Sonder- oder Super abschreibungsregelungen vor deren Implementierung unerläss lich. 42 Dies ist auch deshalb wichtig, weil gerade diese Unter nehmen bereits seit längerem über erhebliche steuerliche Ver waltungslasten klagen. 43 Erstaunlicherweise ist das Wissen über die wahrgenommene Komplexität und die Nutzung der einzel nen Abschreibungsregelungen in Deutschland limitiert. Dies gilt ebenso für immer wieder praktizierte Reforminitiativen wie die Einführung einer zeitlich befristeten geometrisch-degressi ven Abschreibung für bewegliche abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in bestimmten Perioden. Studien auf Basis von Daten aus der öffentlich zugänglichen fi nanziellen Berichterstattung, insbesondere aus Jahresabschluss daten von Unternehmen, sind durch die Publizitätspflichten auf größere Unternehmen beschränkt und weisen zudem in der Regel nicht die Granularität auf, die nötig wäre, um für Un ternehmen unterschiedlicher Größe, Rechtsform und Bran chenzugehörigkeit Rückschlüsse über einzelne Maßnahmen zu ziehen. So liegen bei den rund 946.000 solventen deutschen Unternehmen, deren Einzelabschlüsse in der Dafne-Datenbank vorgehalten werden, nur für etwas über 138.000 Unternehmen auch Daten aus der Gewinn- und Verlustrechnung vor. Aber auch die Gewinn- und Verlustrechnung beinhaltet keine detail lierten Angaben zu handelsrechtlichen oder gar steuerlichen Abschreibungen. Angaben zu einzelnen Positionen (handels rechtlicher) Abschreibungen finden sich bestenfalls für Finanz anlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens und zudem differenziert nach Anlage- und Umlaufvermögen, falls ein Un ternehmen das Gesamtkostenverfahren anwendet (§ 275 HGB).

Die Kapitalflussrechnung nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. DRS 21 fasst sämtliche Abschreibungsbeträge in einer Position zusammen. Eine Differenzierung nach einzelnen Abschrei bungsmethoden kann der handelsrechtlichen Rechnungslegung somit nicht entnommen werden. Analysen zur Inanspruchnah me und Wirkung steuerlicher Abschreibungsregeln oder ande ren Investitionsfördermaßnahmen, wie Investitionszulagen oder -prämien, sind daher praktisch nicht möglich. Aber auch die gerade dargestellten Informationen zu handelsrechtlichen Abschreibungen liegen bestenfalls bei denjenigen Unterneh men vor, die eine Gewinn- und Verlustrechnung oder Kapital flussrechnung veröffentlichen. Die Verwendung anderer Grö ßen der Rechnungslegung, die möglicherweise indirekt auf die steuerlichen Abschreibungen schließen lassen, ist ebenfalls durch Ungenauigkeiten im Hinblick auf unsere Forschungsfra ge gekennzeichnet. So kann die Analyse von steuerlichen Son derabschreibungen beispielsweise auch indirekt über die Höhe der latenten Steuern vollzogen werden. Diese Vorgehensweise nutzt allerdings aggregierte Bewertungsunterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz und ermöglicht es damit nicht, diese auf einzelne steuerliche Abschreibungsregelungen zurück zuführen. 44 Auch Analysen auf Basis von Daten der Amtlichen Steuersta tistik sind wenig ergiebig, denn auch sie leiden darunter, dass Abschreibungen in der Breite entweder gar nicht oder lediglich aggregiert erfasst werden. So werden bei der Lohn- und Ein kommensteuerstatistik Abschreibungen bei den Gewinnein kunftsarten überhaupt nicht statistisch erfasst; gleiches gilt für die Gewerbe- und Körperschaftsteuerstatistik. Eine Analyse einzelner Abschreibungsregeln ist abgesehen von den wenigen Merkmalen zu Abschreibungen in der Lohn- und Einkommen steuerstatistik bei den Einkünften aus Vermietung und Ver pachtung damit in der Breite nicht möglich. Dies gilt auch für die amtlichen Daten des AFiD-Panels, die zumindest ein Merk mal „ Abschreibungen auf Sachanlagen “ enthalten. Auch diese Daten erlauben es nicht, Einblicke in einzelne Abschreibungs arten zu gewinnen. Lediglich die EÜR beinhaltet mehrere Posi tionen zu Abschreibungen und ermöglicht damit gewisse Ana lysen hinsichtlich einzelner Abschreibungsvorschriften (s. Ab schnitt IV).

für die Wirksamkeit von Investitionsförderinstrumenten spielt. Er zeigt, dass eine erfolgswirksame Buchung von Investitionszuschüssen im Ver gleich zu Sonderabschreibungen, die keine bilanzielle Auswirkung haben, die Effektivität der Investitionswirkung erhöht.

36 Vgl. Guceri / Albinowski (2021). 37 Vgl. Wielhouwer / Wiersma (2017). 38 Vgl. Wielhouwer / Wiersma (2017).

39 Beides, Steuerkomplexität und erhöhte Streitanfälligkeit, können investi tionsfördernde Maßnahmen unwirksam machen, schwächen oder die In vestitionstätigkeit direkt dämpfen. Vgl. Diller et al. (2017); Chen et al. (2022); Euler et al. (2024); Osswald / Sureth-Sloane (2024); Amberger et al. (2025). 40 Vgl. z.B. Hechtner (2021). 41 Wir bedanken uns bei einem anonymen Gutachter, der uns auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht hat. 42 Vgl. z.B. Büttner (2021); Hey (2021). 43 Vgl. Eichfelder (2011); Eichfelder / Vaillancourt (2014); Eichfelder / Hechtner (2018); Fochmann et al. (2021); Fochmann et al. (2023). 44 Vgl. Lester (2019), S. 1106.

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