StuW Sonderheft NeSt 2025
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Abhandlungen – Steuerwissenschaften S29 Dyck / Hechtner / Maiterth / Sureth-Sloane – Abschreibungen als Mittel der Investitionsförderung in Deutschland
ger rentabel waren. Bei den als besonders wirksam erachteten, temporär eingeführten Sonderabschreibungen ist zudem empi risch schwer feststellbar, ob es sich lediglich um eine Vorver lagerung von Investitionen handelt oder ob hier tatsächlich eine langfristige Erhöhung des Kapitalstocks erzielt wird. 31 Des Weiteren ist zu bedenken, dass Studien darauf hindeuten, dass infolge des sog. Publikations-Bias (es werden eher Studien pu bliziert, die Effekte einer Intervention nachweisen, als solche, die keinen Effekt zeigen) der Einfluss von Steuern auf realwirt schaftliche Aspekte oft überschätzt wird. 32 Aus regulatorischer Sicht birgt die Einführung von beschleu nigten Abschreibungen das Risiko von Mitnahmeeffekten, wie die Erfahrungen mit Sonderabschreibungen im Kontext der Förderpolitik für die neuen Bundesländer nach der deutschen Wiedervereinigung verdeutlichen. 33 Gleichermaßen liefert die temporäre Einführung von Sonderabschreibungen und Investi tionszuschüssen in Japan Hinweise für Mitnahmeeffekte, da die Inanspruchnahme der Investitionsanreize besonders durch Un ternehmen ohne finanzielle Einschränkungen erfolgte. 34 Der Zeitpunkt einer (temporären) Einführung von beschleunigten Abschreibungen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für deren Wirksamkeit. Oftmals werden diese als antizyklisches Fiskal instrument genutzt, obwohl in Krisenzeiten und resultierender Unsicherheit dieses Instrument weniger wirksam ist und Bi lanzpolitik begünstigen kann. 35 In Krisenzeiten sind Investiti 20 Vgl. Dobbins et al. (2018) und Eichfelder et al. (2023). 21 Vgl. Knittel (2007); Kitchen / Knittel (2011) und Eichfelder et al. (2025). 22 Vgl. Aarbu / MacKie-Mason (2003); Edgerton (2010) und Fan / Liu (2020). 23 Vgl. Dreßler / Overesch (2013); Ljungqvist et al. (2017); Bethmann et al. (2018); Koch et al. (2023); Osswald / Sureth-Sloane (2024). Allgemein zur Forderung nach einer Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnungs möglichkeiten vgl. etwa Fuest (2020); Gassen et al. (2020); Giese et al. (2020); Koch / Langenmayr (2020); Sureth-Sloane (2022) sowie Sureth Sloane / Giese (2024). 24 Entsprechende Hinweise liefern ebenfalls Knittel (2007) und Kitchen / Knittel (2011). 25 Vgl. Dobbins et al. (2018); Fan / Liu (2020) und Eichfelder et al. (2025). 26 Vgl. Fahr et al. (2022); Heinemann-Heile et al. (2023a) und (2023b). Zu den Folgen der Komplexität dieser Regelungen vgl. Hoppe et al. (2021); Zwick (2021); Hoppe et al. (2023); Euler et al. (2024). 27 So umfasst die Kommentierung der §§ 7 – 7kEStG in Brandis / Heuermann (2022) knapp 1.000 (genauer: 964) Randziffern. 28 Vgl. Osswald / Sureth-Sloane (2024). 29 Der Mengeneffekt auf die Investitionstätigkeit kann in die Wahrschein lichkeit einer Investition (extensive margin) und das Investitionsvolumen für eine gegebene Investition differenziert werden; vgl. Eichfelder et al. (2025). 30 Eichfelder et al. (2023) kommen hinsichtlich des Qualitätseffekts im Rah men des Fördergebietsgesetzes zu folgendem Ergebnis: „ The average qua lity of investments, measured by the responsiveness of future revenue and other proxies for cash flow to current investment, reduces by 15.2 – 23.8% in the short run and 31.8 – 41.4% in the long run “ (S. 1). 31 Vgl. Eichfelder et al. (2022). 32 Vgl. Neisser (2021); Gechert / Heimberger (2022); Eichfelder (2024) sowie Knaisch / Pöschel (2024). 33 Vgl. Eichfelder et al. (2023). Mitnahmeeffekte treten in noch stärkerem Ausmaß bei Steuersatzsenkungen auf, da hiervon nicht nur Neuinvesti tionen profitieren. Jedoch zielen Steuersatzsenkungen vor allem auf die Steigerung der Attraktivität des Standorts Deutschland im internationa len Steuerwettbewerb ab, wo den Steuersätzen eine wichtige Signalfunk tion zukommt. 34 Vgl. Orihara / Suzuki (2023). 35 Vgl. Aarbu / MacKie-Mason (2003); Edgerton (2010); Dobbins et al. (2018); Guceri / Albinowski (2021); Osswald / Sureth-Sloane (2024). Edgerton (2012) liefert ebenfalls Hinweise darauf, dass Bilanzpolitik eine relevante Rolle
Naturgemäß erhöht sich die investitionsfördernde Wirkung von beschleunigten Abschreibungen dann, wenn der Steuersatz höher ist, da der resultierende Barwertvorteil im Steuersatz steigt. 20 Gleichermaßen steigt der Barwertvorteil beschleunigter Abschreibungen, je höher die betriebsgewöhnliche Nutzungs dauer ist, was langlebige Wirtschaftsgüter und bestimmte In dustrien begünstigen kann. 21 Zudem fällt die Nutzung von be schleunigten Abschreibungen durch Verlustunternehmen im Vergleich zu Gewinnunternehmen geringer aus, da der unmit telbare Barwertvorteil niedriger ist. 22 Deshalb begünstigen er weiterte Verlustverrechnungsmöglichkeiten die investitionsför dernde Wirkung von Abschreibungen in Verlustunternehmen, da diese einen zukünftigen Liquiditätsvorteil durch Verrech nung der Verluste mit zukünftigen Gewinnen ermöglichen. 23 Ein weiterer Faktor, der die Effektivität von beschleunigten Ab schreibungen beeinflusst, ist die Unternehmensgröße. Zwick und Mahon (2017) zeigen beispielsweise für US-Unternehmen auf, dass die investitionsfördernde Wirkung von beschleunig ten Abschreibungen bei kleineren Unternehmen stärker ist als bei größeren Unternehmen. Es gibt aber auch Studien, die zum entgegengesetzten Ergebnis kommen. Aarbu und MacKie-Ma son (2003) zeigen beispielsweise für norwegische Unterneh men, dass die investitionsfördernde Wirkung beschleunigter Abschreibungen bei kleinen und mittelständischen Unterneh men (KMU) geringer ausfällt und führen dies auf Steuerkom plexität zurück. 24 Auch wenn beschleunigte Abschreibungen ein regelmäßig genutztes steuerpolitisches Instrument sind, ist zu vermuten, dass ein rationales, ökonomisches Kalkül in grö ßeren Unternehmen mit entsprechenden Steuerplanungskapa zitäten stärker ausgeprägt ist. 25 Die Relevanz von Steuerkomplexität und die heterogene Wir kung beschleunigter Abschreibungen in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße wird durch Studien gestützt, die zeigen, dass Investitionsanreize vor allem dann wirken, wenn die zu grunde liegenden Regelungen verstanden und damit auch ge nutzt werden können. So zeigen Befragungsstudien und Studi en basierend auf Laborexperimenten, dass eine hohe Komplexi tät von Regulierung deren fördernde Wirkung beeinträchtigen kann. 26 Dass deutsche Abschreibungsregeln nicht nur von den Anwendern in Befragungsstudien als komplex eingestuft wer den, sondern auch tatsächlich ein hohes Maß an Komplexität aufweisen, verdeutlichen die umfangreichen Kommentierungen zu den zahlreichen Abschreibungsregelungen in §§ 7 ff. EStG. 27 Hohe Komplexität kann nicht nur die investitionsfördernde Wirkung unterminieren, sondern zudem das Vertrauen in den Staat beschädigen und dazu führen, dass sinnvolle Maßnahmen auch aus diesem Grunde nicht genutzt werden. Steuerpflichtige können Regulierung falsch verstehen oder sind frustriert, weil die Vorschriften zu komplex sind, so dass sich die investitions fördernde Wirkung der Steueranreize letztlich nicht entfalten kann. 28 Auch jenseits der Hemmnisse, die durch Komplexität ausgelöst werden können, stellt sich trotz der Evidenz für einen positiven Mengeneffekt von Sonderabschreibungen die Frage nach der Qualität der dadurch ausgelösten Investitionen. 29 Eichfelder et al. (2023) zeigen, dass die Qualität dieser Investitionen deutlich niedriger ausfallen kann als in einem Umfeld ohne Sonder abschreibung. 30 Dies spricht dafür, dass Unternehmen zu nächst rentablere Investitionen priorisieren und durch Sonder abschreibungen sukzessive Projekte umsetzen, die vorher weni
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