StuW Sonderheft NeSt 2025

StuW Sonderheft NeSt 2025

Abhandlungen – Steuerwissenschaften

S28

Dyck / Hechtner / Maiterth / Sureth-Sloane – Abschreibungen als Mittel der Investitionsförderung in Deutschland

schaftlerinnen und Wissenschaftlern im Bereich der empiri schen Steuerforschung mit der Amtlichen Statistik und der Fi nanzverwaltung dient. Ziel ist es, durch die Vernetzung unter schiedlicher Kompetenzen die Evidenzbasierung im Steuer bereich zu stärken. Ein besonderer Fokus des Netzwerks liegt dabei auf der Verbesserung der Dateninfrastruktur für For schungszwecke: „ Eine wissenschaftlich fundierte Analyse von Steuerwirkungen ist nur dann em pirisch möglich, wenn unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen geeignete (Primär-)Daten aus dem gesamten Besteuerungsprozess (Steuerdaten) dafür entsprechend aufbereitet sind und genutzt werden können. ... Ein zentra les Ziel des Netzwerks ist die Verbesserung der Dateninfrastruktur im Bereich von Steuerdaten in Deutschland. “ 13 Die frühere Bundesregierung hat dieses Ziel betont und bekräf tigt: „ Das NeSt kann dabei unterstützen, Daten der Finanzverwaltung, die zuvor der Wissenschaft nicht zugänglich waren, verfügbar zu machen. “ 14 Diese Aspekte motivieren zwei Forschungsfragen, denen wir im Folgenden nachgehen: 1. Welche Erkenntnisse gibt es zur Nutzung einzelner beste hender Abschreibungsregeln durch deutsche Unterneh men? 2. Sind die Daten der Amtlichen Steuerstatistik gegenwärtig ausreichend bzw. wie müssten diese aussehen, um die Nut zung und Wirkungen von Abschreibungsvorschriften zu analysieren? Der Beitrag beantwortet die beiden Forschungsfragen, indem zunächst ein Überblick über die bisherigen Erkenntnisse über die Wirkungen von Abschreibungen auf die Investitionstätig keit erfolgt. Der Fokus liegt hierbei auf empirischen Studien. Im Anschluss werden ausgewählte Befragungsstudien vor gestellt, in denen Einschätzungen deutscher Unternehmen zur Wirksamkeit von Investitionsfördermaßnahmen sowie zur tat sächlichen Nutzung einzelner Abschreibungsvorschriften auf gezeigt werden. Danach folgt eine Analyse amtlicher Daten zur Einnahmenüberschussrechnung (EÜR), um zu prüfen, was sich daraus über die Nutzung steuerlicher Abschreibungen ableiten lässt. Hierbei diskutieren wir auch, welche bestehenden (Ar chiv-)Datenquellen – insbesondere aus der Amtlichen Steuer statistik – geeignet sind, offene Forschungsfragen rund um steuerliche Abschreibungen künftig besser zu adressieren. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf den Möglichkeiten und Grenzen amtlicher Datenbestände. Es zeigt sich, dass existierende empirische Studien auf Basis von Daten aus der finanziellen Berichterstattung von Unter nehmen (Jahresabschlüsse und ergänzende Informationen) oder basierend auf den Daten der Amtlichen Statistik nur we nig zur Beantwortung der Nutzung einzelner Abschreibungs regelungen beitragen können. Gleiches gilt für Simulationsstu dien, die zwar äußerst wertvoll sind, um im Aggregat Abschät zungen zu treffen oder Verhaltensannahmen zu testen, aber den genauen Blick auf einzelne Abschreibungsvorschriften im hier angestrebten Sinne nicht erlauben. Insgesamt wird deutlich, dass weder auf Basis von Befragungen noch unter Rückgriff auf die Amtliche Steuerstatistik oder das AFiD-Panel ( „ Amtliche Firmendaten für Deutschland “ , AFiD) eine belastbare Quantifizierung der Steuerwirkungen konkreter kodifizierter Abschreibungsvorschriften möglich ist. Alle ver fügbaren Datenquellen weisen in diesem Bereich Schwächen

oder Datenlücken auf, die eine differenzierte empirische Ana lyse einzelner Regelungen derzeit stark einschränken. Der Beitrag unterstreicht die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit von Wissenschaft, Steuerverwaltung und den Statistischen Ämtern, um die Wirkungen von Abschreibungs regelungen und von steuerlicher Regulierung insgesamt besser zu verstehen. Nur so lassen sich steuerliche Vereinfachungen und Investitionsanreize künftig evidenzbasiert gestalten. Initia tiven wie das NeSt leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. II. Wirkungen von Abschreibungen – eine Bestands aufnahme Die empirische Forschung liefert starke Hinweise dafür, dass beschleunigte Abschreibungen Investitionen fördern. 15 Unter beschleunigten Abschreibungen werden dabei solche verstan den, die im Barwert zu einer höheren steuerlichen Entlastung führen als die ansonsten vorgesehene Regelabschreibung (oft mals lineare Abschreibung). 16 Empirische Studien quantifizie ren hierbei oft die Wirkung von beschleunigten Abschreibun gen und anderen steuerlichen Investitionsförderinstrumenten mithilfe von Elastizitäten zwischen den Kapitalnutzungskosten und Investitionen des Unternehmens, wobei Steuern eine Komponente der Kapitalnutzungskosten darstellen. Beispiels weise finden Eichfelder et al. (2022), dass die durch temporäre Sonderabschreibungen bedingte Minderung der Kapitalnut zungskosten einen starken Einfluss auf Unternehmensinvesti tionen hat. Sie identifizieren Elastizitäten von 3,7 bis 14, die deutlich höher sind als die entsprechende Elastizität von 0,2 bis 1 bei Steuersatzsenkungen. 17 Andere Studien quantifizieren ähnliche Elastizitäten mit 2,9 als untere Grenze für beschleu nigte Abschreibungen. 18 Dabei erweist sich die zeitliche Be schränkung von beschleunigten Abschreibungen als besonders effektiv, da Unternehmen angereizt werden, unmittelbar aktiv zuwerden. 19 Während beschleunigte Abschreibungen Unternehmen im Durchschnitt zu erhöhter Investitionstätigkeit bewegen, hängt die investitionsfördernde Wirkung von weiteren steuerlichen Rahmenbedingungen und Unternehmenscharakteristika ab. 16 Unter beschleunigten Abschreibungen werden sowohl Sonderabschrei bungen als auch degressive Abschreibungen subsumiert. In der theoreti schen Literatur werden beschleunigte Abschreibungen als solche defi niert, die einen größeren Barwert aufweisen als die Ertragswertabschrei bung im Rahmen der Besteuerung des ökonomischen Gewinns, vgl. z.B. Wagner / Dirrigl (1980) und Schneider (1992). Da der Fokus des vorliegen den Beitrags auf empirischen Erkenntnissen liegt, wird die umfangreiche theoretische Literatur zu den Wirkungen von beschleunigten Abschrei bungen vernachlässigt. 17 Dabei ist zu erwarten, dass die Elastizitäten auch auf andere Steuerver günstigungen übertragbar sind, die einen steuersatzabhängigen Barwert vorteil induzieren. Beispielsweise können die Elastizitäten für Sonder abschreibungen als untere Grenze für die Wirkung eines prozentual iden tischen Investitionsfreibetrags, wie in Österreich implementiert, interpre tiert werden. Zur Einführung und betriebswirtschaftlichen Wirkung eines Investitionsfreibetrags, vgl. Hirschler / Petutschnig (2022). 18 Vgl. House / Shapiro (2008); Zwick / Mahon (2017) und Eichfelder et al. (2025). 19 Vgl. Eichfelder et al. (2022) und Eichfelder et al. (2025). 13 NeSt (2023). 14 BT-Drucks. 20/14872, 22. 15 Vgl. bspw. Jacob (2022).

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